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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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Farbe den Hals hinauf bis in die Wangen stieg, die sich hinreißend rosig tönten. Im Gegensatz zu Natalie Jones war Carrie Ward eine hartgesottene Polizistin, die einem Mann, der ihr zu nahe kam, mit fachkundiger Präzision buchstäblich die Eier abschneiden konnte.
    Er beugte sich zu ihr hinunter, bis sein Atem das Haar an ihrem Ohr leise wehen ließ. „Kannst du mir ein bisschen Kleingeld leihen? Ich bin mit einer Schauspielerin verabredet, die mich gern ordentlich in die Mangel nimmt. Ich brauche meine Energie.“
    Warum er das sagte, wusste er selbst nicht und bedauerte seine Worte beinahe schon wieder, während sie sich versteifte und zurückwich. Sie lächelte schmal, griff in ihre Hosentasche und reichte ihm ein paar Münzen. Er nahm sie. „Danke.“
    „Gern geschehen. Und keine Angst.“ Jetzt spürte er ihren Atem an seinem Ohr, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte. „Vielleicht merkt sie’s nicht.“
    „Was denn?“ Er schloss die Augen, als sie ihm die Hand auf die Brust legte. „Dass sie …“, sie legte zur Betonung eine Pause ein, „… zu kurz kommt.“
    In Sekundenbruchteilen hatte er sie am Ellenbogen gepackt, als sie vor ihm zurückweichen wollte. „Falls du mal Maß nehmen möchtest, lass es mich wissen.“
    „Wenn du nicht auf der Stelle meinen Arm loslässt, ist er gleich noch kleiner als sonst.“ Sie lächelte fies und richtete den Blick betont nach unten, dieses Mal eindeutig in böswilliger Absicht. Doch was sie da erblickte, ließ sie erneut die Augen aufreißen.
    Langsam nahm er seine Hand weg. „Vielleicht solltest du deine Augen untersuchen lassen.“
    Carrie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und schüttelte betont gelangweilt den Kopf. „Weißt du, du solltest dich vielleicht lieber jetzt gleich statt erst in ein paar Monaten aus der SIG versetzen lassen. Deinem Lebenslauf nach zu urteilen, wechselt du ziemlich häufig, oder?“
    „Und dann? Tust du so, als wäre es dir egal?“
    „Was soll das heißen?“ Die Gesichtszüge der jungen Polizistin wurden hart.
    Er wusste es selbst nicht genau, pokerte aber weiter. „Das heißt, dass ich und die anderen durchaus registrieren, wie du Mac anschaust. Du redest dir ein, ihn zu wollen, aber er ist jetzt nicht derjenige, der dir Angst einjagt.“
    Sie kam seinem Gesicht sehr nahe. „Ich habe keine Angst. Ich habe nie Angst. Und du hast keine Ahnung, was du da redest.“
    „Er will nichts von dir, Carrie. Jetzt nicht und auch später nicht. Konzentrier dich auf das, was du haben kannst.“
    Verblüfft vergaß sie, den Mund zu schließen. Jase schob die Münzen in den Automatenschlitz. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, was er damit hatte andeuten wollen – dass er zu haben war? Aber er konnte doch nicht mitansehen, wie sie ihre Zeit wegen eines Mannes vergeudete, der eindeutig auf die gerade vernommene Zeugin abfuhr. Schon gar nicht, wenn die erregende Wirkung ihres Atems an seinem Ohr ihn immer noch vibrieren ließ. Als er sich umdrehte, war Carrie schon weitergegangen.
    Jase ermahnte sich, sie zu vergessen und seine Verabredung mit Marcia zu genießen, wandte sich wieder zum Automaten um – und musste fassungslos zusehen, wie der Schokoriegel auf halbem Weg im Auswurfmechanismus stecken blieb.

8. KAPITEL
    A m Tag nachdem Agent McKenzie ihre Tür eingetreten hatte, tat Natalie etwas völlig Ungewohntes: Den Gehstock in der Hand, brach sie allein zu einem Spaziergang in Richtung des nahe gelegenen Starbucks auf. Das Unternehmen, sagte sie sich, hat nichts damit zu tun, mir etwas zu beweisen, ich will mir nur einen Wunsch erfüllen.
    Sie mochte Kaffee. War verrückt nach Kaffee. Neuerdings bevorzugte sie ihn aromatisiert und freute sich über eine Vielzahl an Geschmacksrichtungen. Mit ihrer kleinen Maschine hatte sie nicht viele Möglichkeiten, und außerdem schmeckte kein Kaffee so gut wie Starbucks Caramel Macchiato. Es sollte ein netter Ausflug werden, der sie von den Ereignissen der vergangenen zwei Tage ablenkte, und gleichzeitig konnte sie Kaffee für den Besuch von Melissa holen. Ein unkompliziertes Vergnügen.
    Leider erwies sich dieser Ausflug als genauso vergnüglich wie Joannas Einladung zum Essen.
    Als sie vor dem Café stand, fühlte sie sich so deplatziert und gleichzeitig unbedeutend wie nie zuvor.
    Unablässig strömten Gäste durch die Eingangstür ein und aus – durch genau die Tür, über deren Schwelle sie nicht treten konnte, weil der Lärm und das Getriebe aus dem Café sie so

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