Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe
den Sattel, band ihn mit einem Tuch fest, schwang sich selbst auf den Rappen und trabte zum Burgtore hinaus, indem er den Zügel vom Rosse seines Söhnleins in die Hand nahm.
Dem Kleinen schien es anfangs großes Vergnügen zu gewähren, mit dem Vater den Berg hinabzureiten. Er klopfte in die Hände, er lachte und schüttelte sein Rößlein an den Mähnen, damit es schneller laufen sollte, und der Graf hatte seine Freude daran, rief auch einigemal: “Kannst ein wackerer Bursche werden.”
Als sie aber in der Ebene angekommen waren und der Graf statt Schritt Trab anschlug, da vergingen dem Kleinen die Sinne; er bat anfangs ganz bescheiden, sein Vater möchte langsamer reiten, als es aber immer schneller ging, und der heftige Wind dem armen Kuno beinahe den Atem nahm, da fing er an, still zu weinen, wurde immer ungeduldiger und schrie am Ende aus Leibeskräften.
“Weiß schon! dummes Zeug!” fing jetzt sein Vater an. “Heult der Junge beim ersten Ritt! schweig, oder - - -” Doch den Augenblick, als er mit einem Fluche sein Söhnlein aufmuntern wollte, bäumte sich sein Roß; der Zügel des andern entfiel seiner Hand, er arbeitet sich ab, Meister seines Tieres zu werden, und als er es zur Ruhe gebracht hatte und sich ängstlich nach seinem Kind umsah, erblickte er dessen Pferd, wie es ledig und ohne den kleinen Reiter der Burg zulief.
So ein harter, finsterer Mann der Graf von Zollern sonst war, so überwand doch dieser Anblick sein Herz; er glaubte nicht anders, als sein Kind liege zerschmettert am Weg, er raufte sich den Bart und jammerte. Aber nirgends, soweit er zurückritt, sah er eine Spur von dem Knaben; schon stellte er sich vor, das scheu gewordene Roß habe ihn in einen Wassergraben geschleudert, der neben dem Wege lag. Da hörte er von einer Kinderstimme hinter sich seinen Namen rufen, und als er sich flugs umwandte - sieh, da saß ein altes Weib unweit der Straße unter einem Baum und wiegte den Kleinen auf ihren Knien.
“Wie kömmst du zu dem Knaben, alte Hexe?” schrie der Graf in großem Zorn; “sogleich bringe ihn heran zu mir!”
“Nicht so rasch, nicht so rasch, Euer Gnaden!” lachte die alte, häßliche Frau, “könntet sonst auch ein Unglück nehmen auf Eurem stolzen Roß! wie ich zu dem Junkerlein kam, fraget Ihr. Nun, sein Pferd ging durch, und er hing nur noch mit einem Füßchen angebunden und das Haar streifte fast am Boden, da habe ich ihn aufgefangen in meiner Schürze.”
“Weiß schon!” rief der Herr von Zollern unmutig, “gib ihn jetzt her; ich kann nicht wohl absteigen, das Roß ist wild und könnte ihn schlagen.”
“Schenket mir einen Hirschgulden!” erwiderte die Frau demütig bittend.
“Dummes Zeug!” schrie der Graf und warf ihr einige Pfennige unter den Baum.
“Nein! einen Hirschgulden könnte ich gut brauchen”, fuhr sie fort.
“Was Hirschgulden! Bist selbst keinen Hirschgulden wert”, eiferte der Graf, “schnell das Kind her, oder ich hetze die Hunde auf dich!”
“So? Bin ich keinen Hirschgulden wert”, antwortete jene mit höhnischem Lächeln; “na, man wird ja sehen, was von Eurem Erbe einen Hirschgulden wert ist; aber da, die Pfennige behaltet für Euch.” Indem sie dies sagte, warf sie die drei kleinen Kupferstücke dem Grafen zu, und so gut konnte die Alte werfen, daß alle drei ganz gerade in den kleinen Lederbeutel fielen, den der Graf noch in der Hand hielt.
Der Graf wußte einige Minuten vor Staunen über diese wunderbare Geschicklichkeit kein Wort hervorzubringen, endlich aber löste sich sein Staunen in Wut auf. Er faßte seine Büchse, spannte den Hahn und zielte dann auf die Alte. Diese herzte und küßte ganz ruhig den kleinen Grafen, indem sie ihn so vor sich hin hielt, daß ihn die Kugel zuerst hätte treffen müssen. “Bist ein guter, frommer Junge”, sprach sie, “bleibe nur so, und es wird dir nicht fehlen.” Dann ließ sie ihn los, dräute dem Grafen mit dem Finger: “Zollern, Zollern, den Hirschgulden bleibt Ihr mir noch schuldig”, rief sie und schlich, unbekümmert um die Schimpfworte des Grafen, an einem Buchsbaumstäbchen in den Wald. Konrad, der Knappe, aber stieg zitternd von seinem Roß, hob das Herrlein in den Sattel, schwang sich hinter ihm auf und ritt seinem Gebieter nach, den Schloßberg hinauf.
Es war dies das erste und letzte Mal gewesen, daß das böse Wetter von Zollern sein Söhnlein mitnahm zum Spazierenreiten; denn er hielt ihn, weil er geweint und geschrien, als die Pferde in Trab gingen, für
Weitere Kostenlose Bücher