Haunted (German Edition)
er gute Ideen, wenn er seinem Verstand gestattete, umherzuschweifen und auszusetzen, aber heute nicht, und als sich der Winkel der Sonne änderte und bewirkte, dass einer der orangenen Lichtstreifen sein Sichtfeld durchquerte, dachte er, dass er genauso gut Feierabend machen könnte. Claires Eltern kamen heute Abend vorbei, zusammen mit der Familie ihrer Schwester, und er sollte wahrscheinlich ohnehin nach unten gehen.
Ihm graute vor diesem Besuch. Es war eine gesellschaftliche Verpflichtung, eines dieser Dinge, die man tun musste, auch wenn Claires Eltern bereits vorbeigekommen waren und das Haus besichtigt hatten, ebenso Diane und ihre Familie, und das war, was ihn betraf, gut genug. Claire hatte jedoch darauf bestanden, alle zum Abendessen einzuladen, und er würde sich von seiner besten Seite zeigen und sich benehmen.
Das war leichter gesagt als getan. Ihre Mom war in Ordnung, aber ihr Dad war ein zorniger, feindseliger Mann, der über niemanden ein gutes Wort verlor, besonders nicht über Julian (obwohl er seine Enkelkinder wirklich zu mögen schien, was ihm zugute kam). Und Dianes Ehemann, Rob, war ein dämlicher Prolet. Julian mochte Diane, aber er hatte noch nie herausfinden können, wie sie bei so einem Versager gelandet war.
Vielleicht sollte er hier oben bleiben, bis sie gegangen waren, so tun, als hätte er viel zu tun und eine schnell näherrückende Abgabefrist einzuhalten. Er bewegte die Maus und unterbrach den Bildschirmschoner, um einen äußerst groben Prototyp einer Website zum Vorschein zu bringen.
Kurz darauf kam James – wie immer – leise herein, das Arbeitszimmer so unauffällig wie möglich betretend. Weder Julian noch Claire waren jemals die Sorte Eltern gewesen, die von ihren Kindern verlangten anzuklopfen, bevor sie in ein Zimmer hineingingen. So etwas schien zu formell und distanzierend. Aber James hatte selbstständig die Angewohnheit entwickelt, das Arbeitszimmer leise zu betreten, um seinen Vater nicht zu stören; er wartete, bis er bemerkt wurde.
Julian schob eine Diskette ein und speicherte das bisschen Arbeit ab, das er diesen Nachmittag erledigt hatte, dann drehte er sich zu seinem Sohn um. »Hey, James.«
»Es tut mir leid, wenn ich dich störe …«
»Hör mit diesem Blödsinn auf! Sei einfach normal!«
James lächelte und stellte sich neben ihn. »Okay. Entschuldige.«
Julian nahm die Diskette heraus, schaltete den Computer aus und stand auf.
»Dad?«
»Ja?«
James sah ihn todernst an. »Ist es okay, wenn ich Sport nicht mag?«
Das war aus dem Nichts gekommen. Aber anhand seines Gesichtsausdruckes war offensichtlich, dass es sich um etwas handelte, das den Jungen schwer beschäftigte, und Julian legte gerührt einen Arm auf die Schulter seines Sohnes. »Natürlich«, sagte er. »Wie kommst du auf so eine Frage?«
»Megan hat gesagt, dass du glaubst, ich wäre ein Weichei, und dass du dich für mich schämen würdest. Sie hat gesagt, das wäre so, weil ich nicht gern Sport mache.«
Julian unterdrückte ein Lächeln. »Hör nicht auf deine Schwester«, meinte er zu James. »Du weißt, dass sie solche Sachen nur sagt, um dich zu ärgern.« Er drehte den Jungen zu sich, legte eine Hand auf jede Schulter und schaute ihm direkt in die Augen. »Du bist, wer du bist. Und was du auch immer magst oder nicht, damit bin ich einverstanden. Jeder ist verschieden. Wie meine Oma früher immer gesagt hat: ›Es gibt solche und solche.‹«
James sah erleichtert aus.
Julian lächelte freundlich. »Du bist mein Sohn. Ich liebe dich, komme, was wolle.« Sein Lächeln wurde größer. »Außerdem wäre ich ein Idiot, wenn ich nicht inzwischen wüsste, dass du Sportunterricht hasst und lieber Videospiele spielst.«
James grinste. »Na ja …«
Er umarmte seinen Sohn und war wieder einmal dankbar, dass ihm der Junge das immer noch gestattete.
»Lass uns besser runter gehen«, meinte Julian. »Deine Grandma und dein Grandpa werden gleich hier sein.«
»Kann ich heute Abend nur bei ihnen bleiben? Ich will nicht mit Mike und Terry spielen.«
Julian verstand das und hatte Mitleid. Wie ihr Vater waren James’ Cousins wild und unausstehlich. Aber wie er seinem Sohn erklärte, war er eher in ihrem Alter als Megan, und er war ein Junge, und da sie in sein Haus kamen, wäre es seine Aufgabe, ein guter Gastgeber zu sein und sie zu unterhalten. »Ich verrate dir aber was«, sagte er. »Du musst nicht mit ihnen in deinem Zimmer bleiben. Ich erlaube auch Jungs im Wohnzimmer herumzuhängen
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