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Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Titel: Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bokowski
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ist doch wie mit einem Hund.
Er
Einem Hund?
Ich
Ja! Ein trockener Hund stinkt nicht. Wenn man ihn aber nass macht, dann ist die Kacke am Dampfen.
Er
Versteh ich immer noch nicht.
Ich
Na gut. Schau: Du kennst doch diese Putzautos von der Berliner Stadtreinigung. Die Dinger mit diesen rotierenden Bürsten vorne dran. Die bürsten den ganzen Dreck nicht weg. Die massieren den ein! Seit Jahren, ach was red ich, seit Jahrzehnten wird die Hauptstadt imprägniert – Schichten um Schichten, Lagen um Lagen, Jahrgänge um Jahrgänge von Hundekot.
Er
Du meinst, Berlin ist gar nicht auf Märkischem Sand erbaut, sondern …
Ich
Märkischer Scheiße! Und es muss nur ein einziges Mal regnen, dann wird das alles wieder flüssig!
Er
… Ich glaub, ich fahr nach Hause.

DIENSTAG
    Ich habe den größten Teil des Vormittages damit zugebracht, einen Nachruf auf meine Großmutter zu schreiben. Meinen emotionalen Zustand würde ich als relativ stabil bezeichnen. Die nicht zu leugnende schriftstellerische Freude daran, sich in einer bisher völlig unbekannten literarischen Gattung auszuprobieren, relativiert die gelegentlichen Heulanfälle. Version Nummer eins, beendet gegen vierzehn Uhr, würde ich mit der mir so üblichen Bescheidenheit als nahezu grandios bezeichnen
.
    Mutter dagegen zeigte sich am Telefon nur mäßig begeistert von meinem Nachruf auf Großmutter. Argumentativ untermauerte Kritik blieb sie mir dabei allerdings schuldig. Was sie nach eigener Aussage am meisten an meinem Nachruf störe, sei die Tatsache, dass Großmutter noch gar nicht tot ist
.
    Es wäre nicht das erste Mal, dass ich meiner Mutter eine mangelhafte Fähigkeit zur Weitsicht vorwerfen muss. Ich habe versucht, eine zweite Meinung einzuholen, jedoch war Großmutter telefonisch leider nicht erreichbar
.

DA KENNE ICH KEINE SKRUPEL
    Ich stand ratlos vor meinem Briefkasten und wendete das cremefarbene Kuvert grübelnd in meiner Hand. Gelegentliche Anrufe meiner Eltern zu nachtschlafender Zeit (14.00 Uhr), insbesondere durch Mutter, war ich seit meinem Auszug vor vielen Jahren ja gewohnt:
    »Hallo Sohn. Schläfst du noch?«
    »Ja.«
    »Rate mal, wen ich eben getroffen habe!«
    »Keine Ahnung.«
    »Die Tante Inge.«
    »Wen?«
    »Na, die Tante Inge.«
    »Mutter, ich habe keine Tante Inge.«
    »Na doch, die Inge. Die kennst du. Mit der habe ich früher gearbeitet. Ihr Kinder habt immer ›Tante Inge‹ zu ihr gesagt.«
    »Welche Inge denn? Und was heißt hier überhaupt ›ihr Kinder‹? Ich bin Einzelkind, Mutter!«
    »Mensch! Du kennst doch die Inge noch. Die Schwarze!«
    »Wie ›die Schwarze‹!?«
    »Na, die hatte immer so schwarze Haare.«
    »Deswegen ist die Inge noch lange keine Schwarze!«
    »Na, siehst du! Du weißt doch, wen ich meine.«
    »Nein, Mutter! Ich weiß nicht, wen du meinst!«
    »Doch.«
    »Nein!«
    »Doch!«
    »Nein, Mutter! Ganz sicher.«
    »Ganz sicher?«
    »Ja. Ganz sicher. Wirklich. Ganz sicher!«
    »Doch, doch. Die Inge. Die kennst du. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Noch immer drehte ich den cremefarbenen Briefumschlag in meiner Hand. Wäre es kein Brief, sondern eine E-Mail, ich hätte einfach auf den kleinen Mülleimer geklickt und die Nachricht wäre zu meinen anderen engen Freunden Vivienne Cox, Tamara Dickson und Mahnung Sparkasse in den Spamordner gerutscht. Das Medium ist die Botschaft. Da kenne ich keine Skrupel. Im Krieg und im Internet ist alles erlaubt.
    Dieser kleinen Postwurfsendung meiner Eltern allerdings, die mich mit ihrer D-Mark-Euro-Übergangsmarke anstarrte, hatte ich nichts entgegenzusetzen. Moment. Doch. Etwas gab es da: Vor dem Haus stand ein Briefkasten der Deutschen Post. In meiner Tasche spürte ich einen Kugelschreiber. Die Versuchung war gewaltig. »Unbekannt verzogen!« würde ich neben das Gesicht von Clara Schumann kritzeln. »Unbekannt verzogen!« und den Brief wieder auf seine Reise schicken. Eine Nachricht der Abweisung. Das wollte ich meinen Eltern antun. Wegdrücken! Aber ich konnte nicht. Schon in das Adressfeld hatte meine Mutter systematisch Schreibfehler eingearbeitet, einzig und allein, um Mitleid zu erregen und mich in eine wohlwollende Stimmung zu versetzen.
    Wenn man auf einem Flohmarkt etwas verkaufen will, dann
muss
man Mitleid erwecken. Sonst steht man am Ende des Tages noch da, mit all seinen CDs von Michael Jackson, Lena Meyer-Landrut und dem drehbaren Musikkassettenständer (da kann er noch so retro aussehen). Am besten schreibt man sich ein Schild. »Alles zum halben Preis« sollte darauf

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