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Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Titel: Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bokowski
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großen, blauädrigen Busen. Obgleich ich doch ziemlich gern gesehen hätte, wie meine Freundin Ulrike nicht nur ihr Kind, sondern an der anderen Brust auch noch meinen Kater stillt, einigte man sich dann doch darauf, das Tier erst einmal in die Küche zu sperren.
    Manchmal stehe ich fast fassungslos vor Entsetzen in eben jener sechs Quadratmeter großen Küche, starre verständnislos auf den Kater hinab und frage mich, während er schmatzend und schlingend eine gefühlte Schweinehälfte verspeist, weshalb ich diese Verkörperung der Maßlosigkeit überhaupt in mein Haus gelassen habe.
    Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass er von Tag zu Tag dicker wird. Das bietet mittlerweile so einen ungewöhnlichen Anblick, dass es sogar den Zeugen Jehovas die Sprache verschlägt, wenn sie mal wieder vor meiner Tür stehen. Anstatt mir den Wachturm in Deutsch oder wie sie es schon versucht haben, in Polnisch, Englisch oder sogar Türkisch aufschwatzen zu wollen, starren sie nur fassungslos in meinen Flur und fragen mich nach ein paar Sekunden, was ich dieser armen Katze bloß zu fressen geben würde. »Andere Katzen«, sage ich dann immer und schließe langsam die Tür.
    Dass er es mit dem Fressen übertreibt, weiß mein Kater eigentlich auch selbst. Manchmal frisst er so gierig, dass er sich nicht einmal die Mühe macht zu kauen. Dann schluckt er das Trockenfutter einfach in ganzen Stücken hinunter und wundert sich ein paar Minuten später, dass es genau so wieder hinaufkommt. Die meisten Menschen, denen so ein Missgeschick widerfährt, so geizig sie auch sein mögen, würden aber niemals darüber nachdenken, das soeben Erbrochene einfach wieder aufzuessen. Mein Kater dagegen macht so etwas. Der denkt darüber nach! Das sieht man schon an seinem blöden Gesichtsausdruck, dass er in seinem Katzenkopf pro und contra abwägt:
    Pro: Es ist immer noch was zu essen.
    Contra: Es war aber schon mal in mir drin.
    Pro: Immerhin ist es oben rausgekommen und nicht unten.
    Contra: Aber leider riecht es ein bisschen so als wäre es.
    Pro: Vielleicht schmeckt es noch ganz gut.
    Contra: Vielleicht stimmt pro ja gar nicht.
    Das wirklich Widerliche an diesem Szenario ist leider, dass pro gewinnt. Jedes Mal. Dann sitzt er da, ignoriert die beißenden Gedanken in seinem Kopf und den beißenden Geruch in seiner Nase und schlingt das Hinaufgewürgte gemächlich wieder hinunter. Ein brechreizendes Trauerspiel. Umso erstaunlicher ist, dass dieses exquisite Zweigängemenü jedes Mal etwas ganz Wunderliches zu bewirken scheint. Denn kaum hat er das schleimige Häufchen Katzenfutter ein zweites Mal verspeist, scheint mein Kater tatsächlich gesättigt. Gemächlich tapst er dann in Richtung Sofa, lässt sich zufrieden auf dem braunen Zweisitzer nieder und sinkt in einen tiefen Schlaf, gerade so, als wäre jedes weitere Verlangen zu fressen von ihm abgefallen, wie von mir das Verlangen danach, solch ein bizarres Geschehen noch ein zweites Mal mit ansehen zu müssen. Er liegt dann oft den ganzen Abend da, in sich zusammengesunken, als sei er mit der Welt im Reinen, und es lässt ihn nicht einmal aufhorchen, wenn ich in der Küche eine Dose Thunfisch aufmache. Erst am nächsten Morgen sitzt er wieder an meinem
    Bettrand und starrt mich so lange mit seinem ausgehungerten und fresssüchtigen Blick an, bis ich aufwache.
    Im letzten Monat war das Geld ein bisschen knapp. Da habe ich mal durchgerechnet, wie viel ich sparen könnte, hätte der Kater ein Fressverhalten, das einer Katze angemessen ist. Dann bin ich zufällig im Küchenschrank auf die Vitakraft Katzendrops gestoßen. Seit zwei Wochen füttere ich ihn damit. Jedes Mal nach dem Mittagessen bekommt er einen Drop, dann fängt er an zu würgen und serviert sich nach ein paar Minuten seinen Nachschlag selbst. Ganz brav frisst er dann alles wieder auf und sinkt schließlich auf meinem Sofa in einen gesunden tiefen Schlaf. Ich gebe ja zu, dass das eine eher unkonventionelle Maßnahme ist, seinen Kater auf Diät zu setzen, aber im Grunde ist das doch nur gut für ihn. Seine Blutfettwerte werden es mir danken, und in ein paar Monaten kann ich den Dicken sogar wieder auf den Arm nehmen, ohne einen Bandscheibenvorfall zu riskieren. Das überschüssige Haushaltsgeld investiere ich übrigens in Lebensmittel. Lebensmittel nur für mich. Ich bin nämlich auch eine fürchterlich gefräßige Person.

DONNERSTAG
    Karstadt. Schreibwarenabteilung. Gedankenversunken stehe ich an der Kasse, als von links eine ältere

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