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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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Hund ein Jahr wie sieben erlebte. Darius war die Taschenlampe, aber für meine Dunkelheit reichte seine Energie nicht. Jedes Treffen anders, bald wäre jede Facette jede Stimmung abgedeckt, so als müssten wir uns im Akkord kennenlernen.
    Genauso schweigsam und dunkel spülten wir nach dem Essen gemeinsam das Geschirr, setzten noch einmal Wasser auf, um Tee zu kochen. Erst, als wir wieder saßen, als bestimmt eine Stunde vergangen war, fragte Darius noch einmal nach: »Kommst du nun mit? Wir haben eine Hütte in den Bergen bei Oy. Im Sommer dient sie Wanderern als Quartier, im Winter kann man sie nur auf Skiern erreichen. Niemand stört uns dort, niemand erpresst uns dort.«
    Ich goss uns beiden Tee ein, nahm mir Zucker und trank einen Schluck. Zum ersten Mal, seit wir uns kannten, hatte Darius so etwas wie Familie anklingen lassen. Möglicherweise hatte seine Fähigkeit, aus meinem Körper Vergangenheit zu lesen mich verwirrt, aber ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, dass auch er Eltern haben musste. »Es klingt verlockend«, antwortete ich. »Vielleicht ist es ohnehin egal, wenn man vor dem Nichts steht. Aber wie kommen wir dort hin?«
    »Zu Fuß oder mit der Bahn, du kannst es dir aussuchen.« Darius Grinsen prallte gegen eine Wand. Ich war zu leer für Scherze.
    »Wie weit ist es denn?«
    »Wenn wir fünfzig Kilometer am Tag schaffen, sind wir in drei Tagen da.« Er lachte, als er das sagte, doch in mir kam das nicht an. Ich hob nur resigniert die Schultern und antwortete: »Dann wird das wohl nichts.«
    Wir schwiegen wieder, tranken Tee, Darius stellte seine Versuche, mich aufzuheitern ein. Als die Kanne leer war, ging er zum Herd und zum Ofen, feuerte neu, setzte Wasser auf. An jedem anderen Tag wäre ich ihm zur Hand gegangen. An diesem war ich froh, wenn er mich in Ruhe sitzen ließ.
    »Ich muss sehen, ob ich zu Hause noch genug Geld für die Bahnfahrt habe«, lenkte ich ein. »Wann wolltest du denn los?«
    »Morgen Mittag.« Gegen den Küchenschrank gelehnt wartete er auf das Wasser. »Ich hatte mir gedacht, du gehst nach Hause, wenn die Vorstellung zu Ende ist, und packst deine Sachen zusammen. Dann stellen deine Vermieter keine Fragen. .Hast du einem Rucksack? Vom Bahnhof müssen wir noch mit dem Bus fahren und ein bisschen laufen Ein Koffer ist also ungeeignet. Morgen um zwölf treffen wir uns.« Mit den letzten Worten stellte er die Teekanne auf den Tisch und wiederholte die Frage: »Hast du einen Rucksack?«
    »Erst einmal muss ich ja Fahrgeld haben.«
    Darius setzte sich zu mir, streichelte mir wie einem kleinen Jungen durch das Haar. »Wenn du keinen hast, könnten wir es anders machen. Meiner ist groß genug für uns beide. Dann müssten wir uns nur hier treffen.«
    Er redete sich in Fahrt. Für ihn war es keine Frage, ob ich mitkam. Jedenfalls ließ er es als Frage nicht zu, plante, als hätte ich schon ja gesagt. Dabei wäre mir alles recht gewesen, solange er mich aus meiner zukunftslosen Dunkelheit riss. Ich glitt an der Kante von Aufmerksamkeit und Ohnmacht, hörte ihm mal zu, mal nicht, ließ ihn reden und planen. Wenn ich etwas mitbekommen hatte, reagierte ich. »Ich habe einen Rucksack.«
    Darius nickte kurz, dann fuhr er fort. Zwischendurch trank er Tee, berührte mich am Rücken oder am Kopf, manchmal lehnte er sich an und legte die Beine wieder auf den Mosaiktisch, während ich aufrecht auf der Couch saß und seine Planungen an mir vorbeiziehen ließ, bis er mich rausschmiss. »Die Vorstellung müsste jetzt vorbei sein. Mach alles wie besprochen.« Er schob mich zur Garderobe, half mir in den Mantel, gab mir einen Kuss auf den Mund, den ich nicht abwehrte. »Ich freu mich.«
    »Ich mich auch«, sagte ich so tonlos, dass er es mir unmöglich geglaubt haben kann. »Wolltest du heute Abend nicht tanzen gehen?«
     

    Taub ging ich durch die Straßen zu mir, taub erwiderte ich den Gruß meiner Vermieter und verneinte die Frage, ob ich noch etwas essen wollte. Ich zog meinen Rucksack unter dem Bett hervor. In ihm hatte ich alle meine Sachen transportieren können, als ich aus dem beschaulichen Altfraunhofen in die große Stadt gezogen war. Zwei Hosen, vier Oberhemden, zwei Wollpullover, ein paar Socken, Unterwäsche, zwei Schlafanzüge und meinen Zeichenblock. Mehr brauchte ich nicht, um in ein möbliertes Zimmer zu ziehen. Die Sommerkleidung lag noch bei meiner Mutter und Theodore.
    Was ich in München hatte und nicht gerade in der Wäsche lag, die Frau Bergmoser freundlicherweise

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