Haus der Jugend (German Edition)
meine Reise freuen.
»Ich fahre mit einem Kollegen zu seiner Familie ins Allgäu. Wir werden dort ein bisschen Ski fahren.«
Sie streute Salz und Pfeffer über das Ei, legte einen kleinen Klecks Butter darauf und rührte unappetitlich mit dem Eierlöffel in der Schale, bevor sie einen Bissen in den Mund steckte. »Oh, hätte ich das gewusst, hätte ich Ihnen noch ordentlich Proviant zurecht gemach.«
»Ich bin sicher, ich werde bei meinen Gastgebern nicht verhungern.«
›
Bist du doch gar nicht‹
, warfen die Heuschrecken ein.
Für einen kurzen Moment vergaß Frau Bergmoser zu kauen und warf einen Blick auf ihren Mann, der teilnahmslos von seinem Brot abbiss. Ein Tropfen löste sich aus dem Wasserhahn und prallte in das emaillierte Spülbecken. Meine Vermieterin schluckte und erst als der Mund leer war, antwortete sie etwas schnippisch: »Dann muss ich mir ja keine Mühe machen.«
Ihr Mann sah zu ihr, auch er wartete, bis er keinen Krümel mehr im Mund hatte, legte seine linke Hand auf ihre rechte und sagte: »Freu dich doch, Mutti.«
›
Jetzt hast du sie auch noch beleidigt‹
, raunten die Heuschrecken.
›Du hast ihre Küche verschmäht.‹
Während ich einen Schluck Kaffee nahm, mir ein Ei mit dem Löffel aufschlug und die Schale ordentlich an den Rand meines Brettchens legte, flüsterte mir die Heuschrecken leider nicht zu, wie ich meinen Faux Pas wieder gut machen könnte. Sie höhnten nur. Ich versuchte, sie zu verscheuchen. Frau Bergmoser war eine gute Frau, es brachte ihr Spaß, für mich zu sorgen, sie freute sich aufrichtig, wenn es mir schmeckte und sie hätte nichts lieber getan, als für mich in der Küche zu stehen und mich für die die Skitour auszurüsten, auch, wenn sie sich dabei über die Arbeit beklagt hätte.
»Liebe Frau Bergmoser. Wir haben es uns doch gestern erst kurzfristig überlegt. Sonst hätte ich gern etwas von Ihren leckeren Sachen mitgenommen. Ich wollte Sie doch nicht kränken.«
›Heuchler.‹
Sie war noch nicht überzeugt, vielleicht hatte ich zu dick aufgetragen, etwas zu theatralisch meinen Charme spielen lassen.
»Sie müssen mich nicht auch noch veralbern.«
»Ich veralbere Sie nicht. Ich weiß es wirklich erst seit gestern Abend.«
Nach dem Frühstück half ich, das Geschirr zu spülen, bevor ihr Mann und sie in Sonntagskleidung zur Messe gingen. Ich stellte in meinem Zimmer das Radio an. »Rock Around the Clock« quälte mich zur falschen Zeit. Ich mochte das Lied, doch es quälte einen immer zur falschen Zeit, lief, egal, zu welcher Stunde man gerade AFN einschaltete. Ich ließ es laufen, legte meinen benutzten Schlafanzug ordentlich zusammen - der zweite befand sich gerade in der Wäsche - und packte ihn in den Rucksack. Als ich die letzten Verschnürungen vornahm, wechselte im Radio das Lied. Little Walter sang »You'd better watch yourself«. Dreizehn Jahre später sollte er im Streit in einer kleinen Seitenstraße von Chicago erschlagen werden. Hätte ich besser auf mich aufgepasst, müsste ich nicht lügen, hätte noch meinen Praktikumsplatz, das Studium stünde vor mir. Hätte ich besser auf mich aufgepasst, dürfte ich nicht mit Darius wegfahren, eine Woche in eine Hütte, die im Winter nur auf Skiern zu erreichen war.
Skier …
Meine waren noch in Altfraunhofen. Über die Zugfahrt hatten Darius und ich gesprochen. Ob ich einen Rucksack hätte, hatte er mich gefragt. Aber nicht darüber, was wir brauchen würden. Ich schaute auf meinen Wecker. Halb elf. Ich konnte gut auf dem Weg zum Hauptbahnhof bei Darius vorbeigehen. Beim Titel »God Only Knows« von Capris zog ich mir meinen Dufflecoat an, schulterte den Rucksack und schaltete das Radio aus.
Darius kam gerade mit einer Kiepe Kohlen aus dem Keller, als ich vor der Haustür stand. Ich brauchte nicht zu klingeln, er ließ mich ein. »Na, es sieht ja so aus, als hättest du noch genügend Geld für die Zugfahrt.«
»Ja.« Ich folgte ihm.
»Wenn ich die Kohlen jetzt hoch schleppe, muss ich es nicht machen, wenn ich zurückkomme«, begründete er unaufgefordert und unnötig. »Ich finde es immer blöd, in eine kalte Wohnung zu kommen und dann erst Kohle schleppen zu müssen.«
»Dabei wird einem doch wenigstens warm.« Ich wusste nichts zu sagen. Erst in der Wohnung, als ich Rucksack und Mantel abgelegt hatte, fragte ich nach den Skiern.
Darius stellte die Kohle neben den gereinigten Ofen, wusch sich die Hände und drehte sich um. »In der Hütte sind welche, falls wir welche
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