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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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Gummibaumblätter, die der Tradeskantie, egal war das Muster der Tapete. Unter dem Druck eines Blickes stand ich widerstrebend auf, wenn auch offenbar nicht schnell genug.
    »Wieso ned? Du bist erwachsn. Da musst du schon sehn, wia du oieine klarkommst. Wenn du ne Frau oda na Enkl fia mi host, bist du herzli willkomma.«
    Wortlos drängte ich sie zur Seite, um meinen Mantel anzuziehen, wortlos nahm ich mir meinen Rucksack und ging zur Tür.
    »Host du dia doch selbst so ausgesucht«, rief sie mir hinterher. Ich hatte doch gar nichts mehr gesagt.
    Ich stolperte also wieder auf wunden Füßen durch die Frostwelt, schleppte mein Leben auf dem Rücken, alles, was ich besaß. Ohne Richtung, ohne Ziel.
    Wo war Darius? Bei ihm hatte ich es warm, er hat mich verstanden – ohne ein Wort. Er hat mich getröstet, in den Arm genommen, ohne nach Moral zu fragen. Bei ihm war ich nie auf die Idee gekommen, etwas Unanständiges zu tun.
    Wo war ich? In einem kleinen Ort mit nicht einmal fünftausend Einwohnern. Einem Ort, in dem jeder jeden kannte, jeder jeden grüßte und jeder alles über jeden wusste. Von der Nazivergangenheit meines Vaters, die niemanden zu stören schien, bis zur Treulosigkeit meiner Mutter. Es gab keine Geheimnisse.
    Mein Vater. Ihn könnte ich besuchen. Wollte ich das? Wo wollte ich hin? Was würde ich von ihm wollen? Bis es mich irgendwohin verschlug, wo ich bleiben konnte und wollte?
    Wo war Darius?
    Ich hatte den Ort zum Bleiben doch schon gefunden. Eine Wohnung in München. Gemeinsamkeit jenseits der Realität.
    Grüßen, Kopfnicken, Grüßen, Kopfnicken. So viele bekannte Gesichter, freundlich als wäre ich ein normaler Mensch, der nicht gerade seine Stellung, seine Wohnung und seinen Status als Sohn verloren hatte. Wissend so tun als wüsste man nichts. So funktionierte es hier. So blieben die Wahrheiten Geheimnisse und die Geheimnisse Wahrheiten. So hielt man die Achtung voreinander aufrecht, vor der Hure, vor dem Nazi, vor dem Linken, dem Einzigen, der bei jeder Wahl sein Kreuz an die falsche Stelle machte. Jeder wusste es, niemand sprach darüber. Würde das bei mir tatsächlich anders sein? Oder würde man drüber hinwegsehen, solange ich meine Arbeit verrichtete?
    Wo war Darius?
    »Grüß Gott, Frau Eigner«, »Pfürti Frau Mosleitner«, weitergehen.
    Bushaltestelle. Auf dem Fahrplan nach Optionen schauen. Auf den nächsten Bus hätte ich fünf Minuten warten müssen, auf den folgenden zwei Stunden. Was käme danach?
    Wut vermissen. Meine Mutter hatte mich vor die Tür gesetzt. Rausgeschmissen, weil ich war, wie ich war. Ich hatte nichts verbrochen, nichts ausgefressen, mich einfach nur offenbart. Und sie hatte mich hinausbefördert. Wo blieb die Wut, wo der Zorn über die Ungerechtigkeit? Nichts als leere Verzweiflung in mir. Ohne Hoffnung beschloss ich, den Bus in zwei Stunden zu nehmen. Schlechter konnte es mir nicht mehr gehen, also konnte ich auch meinen Vater aufsuchen, mir die letze Abfuhr einfangen. Ich überlegte nicht, dass er um diese Zeit in der Schule sein müsste.
    »Grüß Gott Herr Gruber«, »Pfürti Frau Madler«, »ja, es geht mir gut«, »danke, wie geht’s Ihnen?« Weitergehen.
    Klingeln, warten, Geräusche und Vaters Stimme hören. »Moment, ich komme gleich.« Der Nazilehrer sprach hochdeutsch. Poltern, Schritte. »Siegfried, wie nett. Komm rein.« Auch mein Vater war im Morgenmantel. Er hatte einen dicken Schal um den Hals und eine gerötete Nase. »Woher weißt du, dass ich krank bin?«
    »Ich wusste es nicht.« Ich trat ein, legte meinen Rucksack in den Flur, hängte meinen Dufflecoat auf einen Bügel an der Garderobe. Bei meinem Vater war alles akkurat. Kein Staub, kein unnützer Gegenstand. Auf den geschliffenen Dielen im Flur lag ein rotblau gemusterter Läufer, neben der Garderobe stand eine handbemalte Milchkanne als Schirmständer. Die hatte ich ihm vor einigen Jahren mal zum Geburtstag geschenkt.
    »Sie steht noch hier«, sagte er lächelnd und zeigte darauf. Er bat mich in die Stube, »ich habe mich böse erkältet«, fragte, ob ich etwas trinken wollte.
    »Nein danke.«
    »Schön, dass du mich besuchst. Hast du ein paar Tage frei?«
    In der Stube herrschte genauso penible Ordnung wie im Flur. Auch hier waren die Dielen geschliffen, ein blauer Teppich lag unter dem Nierentisch, darum eine rot gepolsterte Sitzgruppe. Auf dem Nierentisch stand oder lag nichts. Keine Zeitung, kein Buch lag herum.
    »Willst du dich nicht lieber wieder hinlegen?«
    »Nein.«
    »Oder

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