Haus der Lügen - 8
aufzulachen.
»Daran hätten wir wohl denken sollen, was?«, ergriff Seamount schließlich wieder das Wort und klang dabei sehr bekümmert. »Natürlich ist das etwas, das einem Verteidiger ungleich mehr nutzt als einem Angreifer.«
»Ich weiß nicht, ob das wirklich immer so sein muss«, widersprach Rock Point. »Dr. Mahklyn hat das Thema schon vor High Admiral Lock Island angeschnitten, und Sie haben es eben bestätigt: Die Geschütze mit Zügen in den Läufen treffen über jede Distanz hinweg deutlich präziser – einschließlich den Distanzen, über die sich unsere Flottenartillerie schon jetzt effektiv einsetzen lässt. Das ist ja nun auch nicht zu verachten! Aber eines bleibt: Wir müssen uns gegen Zions neue Flotte zur Wehr setzen. Dabei werden wir wahrscheinlich ihre Häfen angreifen, nicht sie die unsrigen. Jedenfalls steht das zu hoffen. Denn wenn die in der Lage sind, unsere Häfen anzugreifen, sind wir vermutlich ohnehin längst im Eimer! Was Sie sich da überlegt haben, sollten wir auf jeden Fall weiterverfolgen. Aber momentan lautet die Devise: Geschütze mit Zügen noch nicht an Bord unserer Schiffe! Bitte beachten Sie: Ich habe gesagt: noch nicht!«
»Ich verstehe.« Die Enttäuschung war Seamount immer noch deutlich anzumerken. Dennoch brachte er ein Lächeln zustande. »Also, was sollen wir dann damit anfangen? Wie denken der High Admiral und Sie – und vermutlich auch Dr. Mahklyn – darüber?«
»Wir möchten, dass Sie das weiterentwickeln«, sagte Rock Point klar und deutlich. »Ihren eigenen Aussagen nach dauert es ja auch noch eine Zeit, bis diese neuen Geschütze in die Produktion gehen. Angesichts Ihrer Berichte erscheint es uns wahrscheinlicher, dass wir in sehr viel kürzerer Zeit Granaten für unsere Geschütze mit glattem Rohr bereit haben müssen. Diesen Granaten gilt es also Vorrang zu geben. Daneben, so lautet der Vorschlag, sollten wir uns mit den Geschützen für schwere Granaten befassen, die Commander Mahndrayn erwähnt hatte. Vielleicht etwas mit einem Kaliber von acht oder neun Zoll, ausdrücklich dafür gedacht, die zerstörerischsten Granaten abzufeuern, die wir herstellen können. Dadurch bekämen wir auch auf See einen entscheidenden Vorteil, selbst ohne Rohre mit Zügen.
Gleichzeitig, und wieder unter so viel Geheimhaltung, wie irgend möglich, muss auch die Entwicklung von Meister Howsmyns Geschützen mit Zügen vorangetrieben werden – und zwar rasch! Führen Sie die entsprechenden Tests gleich hier vor Ort in King’s Harbour durch! Dort hält sich die Anzahl neugieriger Zuschauer in Grenzen. Wenn Sie das erste funktionstüchtige Modell entwickelt haben, soll es als Küstenabwehr-Bewaffnung in Produktion gehen. Wenn sich herausstellt, dass derartige Geschütze sich auch für den Einsatz auf See eignen, entwickeln wir auch eine entsprechende Lafette. Aber wir halten das in Reserve! Wir wagen uns erst im Verteidigungsfall daran – oder wenn wir uns in einer derart starken Position befinden, dass es nicht katastrophale Folgen hat, wenn der Feind davon erfährt.«
»Jawohl, Sir.«
»Und in der Zwischenzeit , Commander«, fuhr Rock Point mit einem strahlenden Lächeln fort und wandte sich wieder Mahndrayn zu, »hätten High Admiral Lock Island und ich noch eine andere kleine Herausforderung für Sie und Ihre Meister der Zerstörung.«
»Ja, Admiral?«
Hatte Seamount gerade eben noch ein wenig misstrauisch geklungen, so war Mahndrayns Tonfall nun echte Beklommenheit anzumerken. Rock Points Lächeln wurde noch breiter.
»Ach, so kompliziert ist es nun auch wieder nicht, Commander!«, versicherte er seinem Gegenüber. Ihre Tests haben ja gezeigt, dass Explosivgranaten hohe zerstörerische Wirkung haben. Da dem so ist und Ihre Tests so gründlich durchgeführt wurden, ist dem High Admiral und mir der Gedanke gekommen, Sie seien der ideale Mann für unser nächstes Projekt – sich zu überlegen, wie man den Rumpf eines Schiffes so panzern könnte, dass es durch solche Granaten eben nicht in Stücke gerissen wird!«
Angesichts von Mahndrayns Gesichtsausdruck wurde Seamounts Lächeln beinahe schon glücksselig.
»Ich bin mir sicher, das wird für Sie überhaupt keine Herausforderung sein, Commander!«
.VI.
Kathedrale von Manchyr, Stadt Manchyr, Fürstentum Corisande
Das Orgelvorspiel schwang sich empor, als werde es von den Schwingen der Erzengel selbst getragen. Sir Koryn Gahrvai erhob sich. Gleichzeitig öffnete sich das gewaltige Portal der Kathedrale von
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