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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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ist das Wort Gottes, gegeben den Kindern Gottes«, erklärte er.
    »Dank sei Gott und den Erzengeln, die ihm dienen«, erwiderte die Gemeinde. In ihrer Erwiderung lag eine gewisse Anspannung, eine Art atemloser Neugier, wie Staynair wohl auf jene heiligen Zeilen eingehen würde.
    »Setzt euch, meine Kinder!«, forderte der Primas der Kirche von Charis sie auf. Füße scharrten und Kleider raschelten. Es war fast wie ein einziges, kurzes Aufseufzen, als die Gemeinde dem Erzbischof gehorchte.
    Fast eine Minute lang wartete Staynair ab; seine Hände lagen ruhig auf der Heiligen Schrift . Erneut ließ er den Blick über die Reihen wandern, ließ ihn auf jedem einzelnen Gläubigen lange genug ruhen, um zwei Dinge gleichzeitig geschehen zu lassen: Erstens sollte jedes einzelne Gemeindemitglied wissen , dass es begutachtet wurde, und zweitens sollte auch jedem Einzelnen die Zeit bleiben, den neuen Primas zu begutachten. Vielen aus der Gemeinde fiel auf, dass der charisianische Erzbischof kein vorbereitetes Manuskript entfaltete. Nicht einmal einen einzelnen Notizzettel schien er zu benötigen. Staynair lächelte gelassen.
    Dieses Lächeln hatte wirklich etwas Wundersames. Es war sanft und warmherzig, freundlich, herzlich und – vor allem – aufrichtig. Das war nicht das einstudierte Lächeln eines Schauspielers. Es stammte tief aus der Seele dieses Mannes, und Gahrvai bemerkte, wie eine gewisse Unruhe durch die Gemeinde ging – auch wenn er deutlich spürte, dass diese Unruhe eher zu fühlen als zu hören war.
    »Ich habe die heutige Lesung bewusst ausgewählt«, erklärte Erzbischof Maikel. »Aber das werdet ihr euch gewiss schon gedacht haben«, setzte er nach einer perfekt bemessenen Pause hinzu. Irgendwie war es ihm gelungen, das gleiche Lächeln mit Schalkhaftigkeit zu würzen.
    Leises Lachen war zu hören, und es war unverkennbar, dass die Gemeinde von ihrer eigenen Reaktion überrascht wurde. Einen Moment lang wurde das Lächeln des Erzbischofs noch strahlender.
    »Natürlich habe ich sie bewusst ausgewählt.« Das Lächeln schwand, und seine Stimme wurde ernsthafter, dabei aber auch ein wenig leiser, sodass die Gemeinde sich eine Winzigkeit mehr anstrengen musste, um seine Worte noch zu verstehen. »Ihr alle habt diese Zeilen immer und immer wieder gehört. Die Lesung hat sogar einen eigenen Titel, nicht wahr? ›Die Große Aufgabe‹, so nennen wir sie. Und wir nennen sie so, weil die Erzengel sie so genannt haben, und weil es wahrhaftig die Große Aufgabe ist . Diese Zeilen, diese Schrift, ist das Fundament von Mutter Kirche, Gottes Wort, Seine Vollmacht und Seine Begründung dafür, dass sie überhaupt geschaffen wurde. Seine Anweisungen an den Heiligen Langhorne enthalten nicht nur Seinen Befehl, Mutter Kirche zu begründen. Nein, Er hat uns auch ihre Pflichten deutlich geschildert. Er hat uns das Ziel genannt – den Zweck –, weswegen Er verfügt hat, Mutter Kirche sei zu begründen. Diese Zeilen lehren uns, was die Aufgabe der Kirche ist, und das in schlichten, unmissverständlichen Worten.«
    Staynair legte eine kurze Pause ein, damit sich seine Worte setzen könnten. Dann fuhr er fort.
    »Natürlich ist ›schlicht und unmissverständlich‹ nicht dasselbe wie ›einfach‹. Keine große Aufgabe, wie schlicht sie auch sein mag, ist jemals einfach. Und welche Aufgabe könnte größer sein als jene, die Gott Mutter Kirche übertragen hat? Und welche andere Institution Seiner Welt könnte die Hingabe, den Respekt und die Liebe aller Kinder Gottes mit mehr Recht einfordern als Seine Kirche? Immer und immer wieder, in jedem einzelnen Buch der Heiligen Schrift , werden wir aufgefordert, Gott zu lieben, Seine Gesetze zu achten, Seinen Willen zu tun, in der Erfüllung Seines Plans zu leben und Seine Kirche zu ehren und ihr zu gehorchen.«
    Die Stille im Inneren der Kathedrale war noch dichter geworden, noch angespannter. Wieder lächelte Staynair. Doch dieses Mal war das Lächeln betrübt, als laste ein körperlich spürbarer Druck auf ihm.
    »Natürlich hat Gott es so verfügt«, erklärte ihnen der schismatische Erzbischof ruhig. »Was das betrifft, gibt es in Gottes Anweisungen keinerlei Spielraum, meine Kinder. Keine theologischen Grauzonen, über die Gelehrte und Theologen diskutieren und debattieren und die Wortwahl auseinandernehmen könnten. Das ist kein Vorschlag, keine Einladung, keine Empfehlung – das ist ein Gebot . Ein Befehl. Es ist Gottes Befehl, ebenso zu achten wie Sein Gebot, den Mittwoch zu

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