Haus des Todes
Regel. Die einzigen Aufträge als Privatdetektiv,
die ich in letzter Zeit hatte, hat mir Detective Inspector Carl Schroder zugeschanzt, unbedeutende Fälle, um die sich die Polizei nicht kümmern kann, weil sie inzwischen zu sehr damit beschäftigt ist, die anständigen Bürger von Christchurch davor zu bewahren, unter der Erde zu landen.
Allerdings ist es nicht mehr März. Seit zehn Stunden haben wir April, und der April ist ein noch schlimmerer Monat. Die Hälfte der Zeit habe ich geschlafen, und die andere bin ich mit einem Foto von Lucy Saunders in der Tasche von Motel zu Motel gefahren und habe es den Mitarbeitern am Empfang gezeigt. Lucy Saunders ist eine aufgeschlossene, freundliche Frau und gerade mal Mitte zwanzig, sie ist attraktiv und warmherzig, alles Eigenschaften, die sie zu einer idealen Betrügerin machen. Eigenschaften, die ihr Ärger mit der Polizei eingehandelt haben. Sie ist gegen Kaution auf freiem Fuß und hat sich aus dem Staub gemacht; seit zwei Wochen ist sie jetzt verschwunden, und die zwanzigtausend Dollar, die sie gestohlen hat und die ihr zum Verhängnis wurden, sind immer noch nicht wieder aufgetaucht. Das ist eigentlich kein Job für einen Privatdetektiv, sondern für einen Kopfgeldjäger, aber es bringt Geld in die Kasse. Ich hoffe es zumindest – denn Lucy Saunders ist mein erster Kautionsfall.
Am vernünftigsten wäre es gewesen, wenn Lucy und ihr Freund einen Wagen bestiegen hätten und einfach davongefahren wären, immer weiter, um eine möglichst große Entfernung zwischen sich und Christchurch zu legen, doch Vernünftiges kommt Leuten wie Lucy und
ihrem Freund nicht unbedingt in den Sinn. Ich steige aus meinem Wagen und halte mir zum Schutz gegen den Regen eine Zeitung über den Kopf, während ich zu den großen Glastüren des Everblue Motel renne, einem Motel, in dem man nicht tot aufgefunden werden will, denn das hieße, dich hätte irgendein Zuhälter kaltgemacht, weil du eines seiner Mädchen mies behandelt hast. Der Typ hinter dem Empfangsschalter sieht aus, als würde er sich nur für Hamburger und Pornos interessieren. Er trägt ein mit Essensresten beschmiertes Hemd; es ist aufgeknöpft und gibt den Blick frei auf ein Netzunterhemd, aus dem seine Haare hervorstehen wie die Borsten eines Farbpinsels. Und ich bin froh, dass ich die letzten zwanzig Stunden nichts zu mir genommen habe. Der Raum stinkt nach Zigarettenqualm, und von der Deckenfarbe ist vor lauter Fliegenscheiße fast nichts mehr zu erkennen.
»Ein Doppelzimmer kostet …«
Er hält inne, als ich das Foto auf den Tresen lege. »Haben Sie diese Frau schon mal gesehen?«, frage ich.
»Pass mal auf, Kollege, hier tauchen ständig irgendwelche Cops, Väter und Zuhälter auf, die jemanden suchen, und allen sage ich dasselbe – umsonst ist nur der Tod.«
»Zu gütig«, sage ich. »Sie sind ja ein richtiger Menschenfreund.«
»Von Hilfsbereitschaft kann ich mir nichts kaufen«, sagt er.
»Wie zum Beispiel ein neues Hemd. Ich werde Ihnen keine zwanzig Mäuse geben, nur damit Sie mir erzählen, dass sie nicht hier ist.«
»Ich will auch keine zwanzig. Ich will fünfzig, und Sie werden sie mir geben.«
»Ach ja?«
»Ja, denn ich hab sie gesehen«, sagt er, während er unter sein Hemd greift und sich auf eine Weise an einer seiner Brustwarzen kratzt, dass sich der schwulste Mann in einen Hetero verwandeln würde. »Zusammen mit diesem Typen. Die Info gibt’s gratis, als Zeichen des guten Willens, okay? Für fünfzig Mäuse gibt’s mehr davon.«
»Wenn Sie sie gesehen haben, heißt das, sie ist noch hier oder war es bis vor Kurzem«, sage ich. »Ich könnte also ein paar Türen eintreten und nachsehen.«
»Das ist ’n Argument«, sagt er, greift nach unten und holt unter dem Tresen einen Baseballschläger hervor, auf den jemand mit Filzstift Überredungskünstler geschrieben hat. »Aber ich habe hier ’n Gegenargument. Na ja, wenn Sie ein Cop wären, hätten Sie’s mir längst gesagt und mir Ihren Ausweis gezeigt. Ein Cop wäre mit ’nem Wagen vorgefahren, der mehr wert ist als das Benzin im Tank. Und wenn ich mir meinen Kumpel hier so anschau«, sagt er und hebt den Schläger weiter in mein Blickfeld, »dann schätze ich, dass Sie es höchstens durch eine Tür schaffen. Also, wie sieht’s aus?«
Ich blicke durch das Fenster hinaus auf den Parkplatz. Ein Dutzend Zimmer, eins neben dem anderen, bilden die Form eines Ls, sechs von Norden nach Süden und sechs von Osten nach Westen. Vor vieren
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