Haus des Todes
bewaffneten Raubüberfall in einem chinesischen Restaurant ein paar Blocks entfernt gerufen worden, und Landry habe vor einem Lokal voller Patronenhülsen drei Stunden lang die Leute befragt, ohne dass ihn jemand auf die Ringe hingewiesen hätte.
Die Trauergemeinde lacht. Und Schroder stimmt mit ein, genauso wie die Frau neben mir und ich. Die Geschichte ist nicht besonders witzig, doch in diesem Moment ist es die witzigste Geschichte, die wir je gehört haben.
»Am nächsten Abend hat er es mir allerdings heimgezahlt«, sagt Watts. »Wir haben während der Observation oft bis tief in die Nacht gearbeitet, und als wir ins Büro zurückkehrten, schlief ich hinter meinem Schreibtisch ein. Darauf hat er mein Gesicht mit Sekundenkleber an der Tischplatte festgeklebt.«
Die Trauerandacht dauert neunzig Minuten. Ich starre immer wieder auf den Sarg und frage mich, wie das ganze Leben eines Menschen in so ein kleines Ding passen kann, und wie es sein kann, dass alles, was er einmal war, nicht mehr existiert. Wir versammeln uns im nachlassenden Regen auf dem Parkplatz und warten darauf, dass der Sarg herausgetragen wird. Man schiebt ihn in den Fond eines Leichenwagens und fährt ihn auf den Friedhof. Bekleidet mit unseren Jacken und mit den Schirmen in der
Hand stapfen wir durch den Nieselregen und kommen erneut zusammen, diesmal an dem Fleckchen Erde, in dem Landry seine letzte Ruhe finden wird. Erneut ergreift der Priester das Wort, und ich fürchte schon, dass er es auf weitere neunzig Minuten bringen wird, aber er braucht nur fünf – Asche zu Asche, Staub zu Staub.
Es hat aufgehört zu regnen, und die Schirme werden ausgeschüttelt und zusammengefaltet, doch schon fängt der Himmel wieder an, sich zu verdunkeln. Die ersten Trauergäste machen sich auf den Weg, weitere folgen ihrem Beispiel. Ich gehe zurück zu meinem Wagen, unter einem der Scheibenwischer klemmt ein Faltblatt. Werbung für ein Bordell in der Stadt: Mit diesem Gutschein zahlen Sie für Ihren »Eintritt« nur die Hälfte.
Der Verkehr staut sich, als alle gleichzeitig losfahren wollen. Die Beerdigungsprozession führt uns in die Stadt, wo wir uns aufteilen und jeder nach einem Parkplatz Ausschau hält; die meisten von uns entscheiden sich für ein nahe gelegenes Parkhaus. Quietschend rollen die Reifen die Auffahrt hinauf; die Wände sind voller Lackspuren von den Fahrzeugen, die im Laufe der Jahre die Kurven zu eng genommen haben. Ich fahre fast ganz nach oben und laufe die Treppe hinunter. Dort versucht ein Obdachloser, mir für ein Bier Jesus näherzubringen.
Popular Consensus ist ein Nachtclub in der Nähe von The Strip mit seinen Bars, die tagsüber als Cafés und Restaurants und nach einundzwanzig Uhr als Nachtclubs dienen. Der Laden gehört Landrys Bruder, und es sind noch etwa fünf Stunden bis zur Hauptgeschäftszeit am
Abend, wenn Tausende von versoffenen Teenagern durch die Straßen der Stadt ziehen. Doch jetzt ist er für all jene geöffnet, die Landry kannten, mit Tischen voller Würstchen im Schlafrock und Sandwiches; und alle Drinks gehen aufs Haus. Fast sämtliche freie Flächen sind mit einem Foto von Landry zugestellt; eines davon zeigt ihn auf der Polizeischule mit Schroder und mir, wir alle noch mit fülligerem Haar, und Landry und Schroder haben noch nicht so einen rundlichen Bauch wie heute. Aber deswegen muss sich Landry wohl keine Sorgen mehr machen. Sämtliche Lichter im Club sind eingeschaltet, und an der Bar und in den Sitznischen hocken Gäste, geben Geschichten zum Besten und verdrücken ein paar Tränen.
»Hier, nimm«, sagt Schroder und reicht mir einen Drink.
»Nein danke.«
»Ist nur Orangensaft«, sagt er, und ich nehme ihn. Sehnsüchtig starre ich auf das Bier, an dem er nippt, und mir fällt ein, wie Bier und alle seine Freunde mich im letzten Jahr in Schwierigkeiten gebracht haben. »Kommt mir wie eine Ewigkeit vor«, sagt er und deutet mit dem Kopf auf eines der Fotos.
»Ich kann mich nicht mal mehr an die Hälfte der Leute erinnern«, sage ich.
»Landry ist der Erste.«
»Was?«
Er deutet erneut mit dem Kopf auf das Bild. »Landry ist der Erste von dem Foto, der getötet wurde.«
Wir nippen an unseren Getränken und lassen uns die Worte für einen Moment durch den Kopf gehen, fragen uns, ob er der Einzige bleiben wird, ob die anderen bis zur Pensionierung in ein paar Jahren durchhalten oder jetzt den Dienst quittieren werden. Die Stereoanlage wird eingeschaltet, und die Rolling Stones schallen durch
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