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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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sie wischte mit der Hand darüber, befreite die Sperrholzfiguren von Spinnweben, mit denselben Farben bemalt, die auch die Bilder trugen, waren sie alle da, Gestalten aus dem alten deutschen Sagengut. Solche Schilder hatte Bamberger vor dem Kriege nur an besonders gute Kunden abgegeben. Siegfried war dort mit dem Butterhaar und mit dem grünen, grünen Kittel, den Speer in der Hand haltend, zielte er auf den grünen, grünen Lindwurm und sah fast wie Sankt Georg aus. Kriemhild stand neben ihm, Volker und Hagen waren da und der Hübsche, der Kleine: Giselher Ȭ und, sie waren alle auf eine breite, braune Leiste genagelt, die in eigelben Buchstaben die Aufschrift trug: Bambergers Eiernudeln. Sie hatte den Bäcker nicht gehört, der jetzt hinter ihr stand, ihre Schulter berührte.
    »Es ist alles erledigt, komm rüber und sieh es dir an ... mein Gott, warum weinst du schon wieder?«
    Sie schüttelte stumm die Schulter, hob die breite Leiste mit den Sperrholzfiguren hoch und trug sie am Bäcker vorbei in das Zimmer des Gehilfen. Der Bäcker folgte ihr. »Was willst du damit?«
    »Aufhängen«, sagte sie schluchzend.
    »So was? Ich kauf dir schönere Bilder. Seen«, sagte er schüchtern, »Kapellen in Wäldern, Rehe ... alles kauf ich dir. Häng doch so was nicht auf.«
    »Laß mich«, sagte sie, »ich möcht ȇ s aufhängen.« Schon hingen ihre Kleider im Spind des Gehilfen, das Geschirr war in die Schubladen der Kommode geordnet und Wilmas Spielzeugkarton unters Bett geschoben. Auch Wilmas Bett war schon aufgestellt: Alles sah ordentlich aus.
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    »Soll das Kind hier schlafen?«
    »Meinst du nicht?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie zögernd, und sie stellte die Reklame für Bambergers Eiernudeln quer über die Kommode und sagte: »Das wird den Kindern Spaß machen.«
    »Es ist Kitsch«, sagte er, und er wandte sich ab, als sie ihre Einkaufstasche
    auspackte. Zuerst kam ein Bild ihres Mannes, das sie übers Kopfende des Bettes hing, an einen leeren Nagel, der noch Ȭ wie einen Kranz Ȭ die kleine Messingschlaufe eines Bildchens trug.
    »Dorthin?«
    »Ja«, sagte sie, »da bleibt es.«
    Ein Feuerzeug kam aus ihrer Tasche, es wurde mit heftigem Ruck auf die Kommode gesetzt, die Armbanduhr mit zerschlissenem Lederarmband, und sie suchte hastig in Wilmas Spielzeugkiste und legte die Segeltuchhülle, die Karls Kochgeschirr umkleidet hatte, neben die Armbanduhr. »Wo ist mein Nähkorb?«
    »Hier«, sagte er, zog eine Schublade auf und nahm den Nähkorb heraus, und sie riß ihn ihm aus der Hand, suchte Leos Nagelfeile und legte sie neben die Segeltuchhülle von Karls Kochgeschirr. »Geh«, sagte sie leise, »laß mich allein.« »Ich wollte dir ȇ s Badezimmer zeigen, und hier ist der Schlüssel zum Dachgarten.«
    »Mein Gott«, sagte sie, »laß mich doch einen Augenblick allein.«
    »Willst du all diesen alten Kram behalten? Ich kauf dir ȇ ne neue Armbanduhr, und das Feuerzeug ist ja verrostet und tut ȇ s nicht mehr.«
    »Mein Gott«, sagte sie, »nun geh.« Er ging rückwärts zur Tür.
    Sie zog die Vorhänge zu und legte sich aufs Bett, mit dem Kopf auf das Fußende, so daß sie den lachenden Feldwebel sehen konnte, der oben über dem Kopfende hing. Rechts, sogar im Dämmer noch grell, stand Bambergers Altes deutsches Sagengut, und sie suchte ihren Liebling, den Braunhaarigen, den Männlichen und doch Weichen: Volker, der mit rotem Koller und grüner Leier gleich neben Hagen stand. An Leo dachte sie am wenigsten, und sie dachte nicht an ihren Mann; sie dachte an den anderen, dessen Wange einen
    Augenblick lang auf ihrem Hals
    geruht hatte, und sie wußte, daß sie ihm gefiel, er auch an sie dachte. Er hatte
    begriffen, er hatte ihr geholfen, und sie liebte ihn, wie sie noch keinen geliebt hatte. Länger, als bei einer solch spontanen Umarmung üblich war, hatte er sie im Arm gehalten. Er würde wiederkommen, würde die Kinder zurückbringen, und sie würde ihn sehen Ȭ und als der Bäcker, ohne anzuklopfen, hereinkam, brüllte sie ihn an: »Kannst du nicht anklopfen? Laß mich allein.«
    Er zog sich schüchtern wieder zurück, murmelte in der Tür etwas von
    Badezimmer — Bleidach.
    Sie stand auf, schloß die Tür von innen ab und legte sich aufs Bett. Der lachende Feldwebel war zu jung: ein Kind, ein Schnösel, mit dem geschlafen zu haben ihr fast ungehörig vorkam. Teergeruch am Rand von Truppenübungsplätzen und der todernste Gefreite, der sich im Gebüsch über sie beugte und zum erstenmal das andere mit ihr

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