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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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nicht dieses Haus hier haben«, sagte Fiona. »Das gibt
es alles auch in klein, auch hier in der Stadt. Man muss nur das passende
finden.«
    »Was ist denn das überhaupt für ein komisches Dach?«, motzte
Morgenstern.
    »Das ist ein sogenanntes Legschieferdach«, erklärte Fiona mit unverkennbarem
Stolz auf unlängst angelesenes Wissen. »Das sind keine normalen Dachziegel,
sondern die Kalkplatten hier aus den Steinbrüchen.« Sie deutete zur Hangkante
des Altmühltals, die schon fast gänzlich in Dunkelheit versunken war. Dahinter
lagen Steinbrüche. »Mit den Platten haben die Menschen hier immer schon ihre
Häuser gedeckt.«
    »Und das hält dicht?«, fragte Morgenstern.
    »Ja, aber das Haus braucht einen ziemlich stabilen Dachstuhl, weil
die Platten so viel wiegen. Man deckt die Platten immer in mehreren Lagen,
damit kein Wasser eindringen kann.«
    Morgenstern staunte erst, dann wurde er misstrauisch. »Wie lange
treibt dich das Thema denn schon um? Du kennst dich verdächtig gut aus mit der
Materie.«
    »Ein paar Monate. Ich wollte mich erst informieren, bevor ich dich
nervös mache.«
    »Vielen herzlichen Dank fürs Mitgefühl«, sagte Morgenstern verschnupft.
Mit zunehmender Unlust blätterte er in der Zeitschrift. Er sah komplizierte
Zeichnungen von Dachstühlen und Balkenkonstruktionen, blickte auf halb
verfallene Häuser mit eingebrochenen, grau vermoosten Dächern, zerschlagenen
Fensterscheiben und finsteren, rußigen Räumen, fand aber auch viele Fotos von
frisch renovierten ockerfarbenen Häusern mit Blumen-gärten, grünen
Fensterläden und blühenden Rosenstöcken neben der Tür.
    Fiona reichte ihm noch die Broschüre mit dem Programm der »Woche des
offenen Jurahauses«. »Ich habe mir schon ein paar interessante Termine
ausgesucht. Wäre zum Beispiel schön, wenn du am Dienstagabend ein bisschen
früher von der Arbeit heimkommen könntest.«
    Morgenstern fühlte sich von Fiona überfahren – und mit einem
Mal wurde ihm alles zu viel.
    Wütend knallte er die in schlichtem Schwarz-Weiß gedruckte Broschüre
auf den Balkontisch, nahm sein volles Glas, trank es auf einen Zug aus und
stellte es ebenfalls auf den Tisch, halb auf die Zeitschriften. Im Aufstehen
stieß er an den Tisch, das Glas kippte um und fiel zu Boden. »Ich geh jetzt ins
Bett«, sagte er, drehte sich um und ging in die Wohnung. Drinnen murrte er noch
eine ganze Weile vor sich hin. »Ein Haus? Ich brauch doch kein Haus! Ein Haus
bringt nur Ärger. Nichts als Ärger.«
    Als Fiona zehn Minuten später zu ihm ins Bett schlüpfte, schlief er
schon friedlich wie ein Säugling.
    »Und wir kriegen doch ein Haus, ob du willst oder nicht«, flüsterte
sie ihm ins Ohr. »Eins mit einem Steindach.« Morgenstern grunzte.

ZWEI
    Morgensterns Handy läutete Alarm – mit der gewohnten Melodie: Wagners
Walkürenritt, zu dem er sich vom Vietnam-Kriegsfilm »Apocalypse Now« hatte
inspirieren lassen. Schlaftrunken schaute er auf den Wecker: Vier Uhr dreißig,
draußen dämmerte es.
    »Bullshit«, fluchte er und überlegte, wo er das vermaledeite Handy
am Vorabend deponiert hatte. Er schwang sich aus dem Bett, nahm kurz den Kopf
zwischen beide Hände. Was hatte er bloß für einen üblen pelzigen Geschmack im
Mund? Der Rotwein, logisch. Eine neue Sorte. Fiona war anscheinend momentan in
einer Experimentierphase.
    Wagners Walküren ritten weiter. »Dada dada daaada dada dada daaada …«
Eigentlich eine saublöde Melodie, fand Morgenstern jetzt, wo sie ihn aus dem
Tiefschlaf gerissen hatte, an einem Sonntagmorgen, ach was, mitten in der
Nacht.
    »Daada dadada Daada …«
    Fiona wachte auf. »Hast du’s vielleicht bald?« Genervt zog sie sich
das Kissen über den Kopf, während Morgenstern nach der Jeans fingerte, die er
am Vorabend getragen hatte. Als er das Handy endlich in der Hand hielt, waren
die Walküren mindestens einmal nach Walhall und wieder zurückgeritten.
    »Ja!«, meldete er sich mürrisch und verzog sich in den schmalen
Flur, um Fiona nicht weiter zu nerven. Eine Kollegin war am Telefon – nur
gut, dass sie ihn nicht sehen konnte, in ausgeleiertem, verwaschenem T-Shirt
und Unterhose.
    »Wir haben seit etwa einer Stunde einen Großbrand. In der Nähe von
Titting«, sagte sie knapp. »Und es gibt einen Toten. Es sieht nach einem
Gewaltverbrechen aus. Deswegen rufe ich dich an.«
    »Titting?« Morgenstern dachte kurz nach. »Titting, von da habe ich
mein Weißbier –«
    »Meine Güte, Mike! Ist das das Einzige, was dir dazu

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