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Haushaltsschnecken leben länger

Haushaltsschnecken leben länger

Titel: Haushaltsschnecken leben länger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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den Krimi zu und greifen zum Strickzeug, wenn ein Familienmitglied den Raum betritt.
    Um zu einem friedlichen Mittagsschlaf zu kommen, meinen sie Kopfweh haben zu müssen, und den Kaffeehausbesuch mit
    Illustrierter und Cremeschnitte halten sie so geheim, als wären sie an frivolem Orte der Unzucht nachgegangen.
    -11-

    Daraus ist zu folgern: Wenn ein Mensch wegen derart
    harmloser
    Tätigkeiten Schuldgefühle entwickelt, können
    Schuldgefühle nicht viel mit wirklicher Schuld zu tun haben.
    Da aber, auch das beobachte ich seit Jahren, diese so
    mannigfachen weiblichen Schuldgefühle keine erfreulichen Emotionen sind, die man sich freiwillig und luxushalber zulegt, muß an diesen Schuldgefühlen wer die Schuld haben. Die wirkliche Schuld!
    Und wen - bitte - gibt es hierzuerden noch, außer Frauen? Na eben!
    Bedenken Sie, verehrte Leserin, diese Sachlage in Ihrer nächsten faulen Viertelstunde. Vielleicht artet sie dann zu einer ganzen und völlig schuldlosen aus.
    -12-
    Familienidylle
    Ich kenne etliche Frauen, die sind so selbstlos und aufopfernd, daß sie sich rein gar nichts gönnen! Nicht einmal einen Sitzplatz bei Tisch gönnen sie sich. Und einen Teller beanspruchen sie auch nicht. Sie servieren der Familie die Mahlzeiten, als wären sie schlecht behandelte Dienstmädchen aus dem vorigen
    Jahrhundert.
    Während der Mann und die Kinder das Gemüsesupperl
    schlürfen, stehen diese Frauen in der Küche und backen die Schnitzerl aus, denn Schnitzerl sollen ganz, ganz resch und natürlich heiß auf den Tisch kommen.
    Und wenn dann die Lieben über die Schnitzerl herfallen, schlagen diese Frauen die Vanillesoße auf und holen die Dampfnudeln aus dem Rohr.
    Auch Vanillesoße und Dampfnudeln sind frisch am besten!
    Zwischen dem Auftragen der nahrhaften Köstlichkeiten und dem Abtragen des verdreckten Geschirrs stopfen diese Frauen schnell ein paar vermischte Bissen in den Mund.
    Die gute Hausfrau & Mutter delektiert sich halt nicht an einem Mittagessen in Ruhe, sondern an den zufriedenen Rülpsern ihrer Lieben.
    Nur hat die Sache einen Haken! Oft wird die aufopfernde selbstlose Art gar nicht besonders von der Familie geschätzt.
    Man rülpst zwar zufrieden, aber man schaut auch vorwurfsvoll.
    »Dauernd rennst du hin und her«, sagt der Mann. »Kannst du dich nicht endlich hersetzen! Da schmeckt es einem doch gar nicht!«
    Da lächelt dann die aufopfernde Mutter & Hausfrau, wischt sich die schweißnasse Stirn, murmelt: »Ich muß die Schnitzel umdrehe n« und eilt mit einem Stoß dreckiger Suppenteller der Küche zu.
    -13-
    Seufzend und kopfschüttelnd schaut ihr der Mann nach, und der halberwachsene Sohn streckt die Beine unter den Tisch, lümmelt sich weit zurück und spricht tröstend zum Vater:
    »Laß sie doch! Wenn sie sich nicht aufopfern kann, hat sie keinen Lustgewinn!« Worauf die ebenfalls halberwachsene Tochter sagt:
    »Aber daß sie uns auf diese Art andauernd Schuldgefühle einimpft, ist ihr ja wurscht!«
    Die aufopfernde Hausfrau & Mutter hört dieses Gespräch beim Hin- und Hereilen natürlich mit an. Aber sie nimmt es gelassen zur Kenntnis.
    Zur feinen Sorte der Aufopferung gehört es nämlich, daß man sich keinen Dank erwartet!
    -14-
    Taschenumwidmung
    Es gibt Familien, in denen strikte Gütertrennung herrscht.
    Jeder Gegenstand, der sich in der Wohnung befindet, gehört einem Familienmitglied, und jedes Familienmitglied verteidigt sein Hab und Gut gegen Benutzung durch andere.
    Und da in Familien meistens Fraktionen gebildet werden, bekommt jeder Besitzverteidiger noch Unterstützung von einem Fraktionsmitglied. Da heißt es dann: »Michi, setz dich nicht in Vatis Sessel!« Und: »Mama, die Susi will dein Briefpapier nehmen!«
    Familien dieser Art sind jedoch eher selten. Die Normalfamilie besitzt Sessel und Briefpapier und Bürsten und Scheren, Maßbänder, Regenschirme und Einkaufsbeutel, ohne sich
    darüber klar zu sein, welches Familienmitglied den
    Besitzanspruch auf diese Dinge hat.
    Daß Parfüms, Deos, Kleingeld, Briefmarken, Socken, Slips und Kugelschreiber in Normalfamilien ebenfalls ohne spezielle Nachfrage bei dem, der diese Sachen erstanden hat, benutzt werden, ist üblich.
    Aber auch in Familien mit Gemeinschaftssinn, Konsumgüter betreffend, hat jedes Mitglied ein paar Dinge, die es für sich behalten möchte.
    Gelassen schaut der Vater seit Jahren zu, wie seine Söhne und Töchter in seinen neuen und alten Hemden herumgehen, seine Krawatten um Hals, Taille oder Stirn binden und sich

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