Haushaltsschnecken leben länger
war es doch ohnehin immer peinlich, wenn der arme Kerl freudig und im Scheine der Flackerkerzen das gute Stück anlegen wollte und den Kopf bloß bis zu den Ohren durchs Halsloch bohren konnte und Sie dann murmeln mußten: »Das trenn ich wieder auf!« Eben! Eine gewisse Zögerlichkeit bei der
Geschenkeproduktion hat ihre Vorteile.
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Gute Vorsätze bis zum Dreikönigstag
Wenn ein Jahr zu Ende geht - spätestens aber in der
Silvesternacht - haben viele Menschen den Drang, gute Vorsätze zu haben und zu beschließen, daß es »so« absolut nicht weitergeht, daß alles ganz anders und besser werden muß und daß sie deshalb ab 1. Jänner des neuen Jahres allerhand zu tun und lassen haben, was sie bis zum 31. Dezember des alten Jahres aus unterschiedlichen Gründen weder getan noch
gelassen haben.
Fast vierzig Silvester durfte ich meinen Vater dabei
beobachten, wie er den Entschluß faßte, daß es »ohne Rauch auch geht«, durfte zusehen, wie er, Zigarette an Zigarette anzündend, bis Schlag Mitternacht seinen Nikotinvorrat verschmauchte, auf daß ihn am nächsten Morgen kein
hinterhältiges Giftröllchen von der Enthaltsamkeit abbringen möge.
Und meine gute Frau Mutter entschloß sich ebenso viele Silvester lang, ab 1. Jänner ein Haushaltsbuch zu führen, um zu wissen, wo das Geld hinkommt, und hierauf wissend die Hälfte davon einzusparen und solchermaßen bis zum Silvestertag wohlhabend zu werden.
Bis zum Heiligendreikönigstag war dann auch die Luft in unserer Wohnung glasklar, nicht das kleinste Rauchringerl schwebte durch die Räume, in den Aschenbechern war nichts als Fransenpapier vom Christbaum, und auf dem Küchentisch lag ein dickes blaues Heft, und auf dem stand in mütterlicher Zierschrift: Ausgaben.
Aber am Heiligendreikönigstag dann kam der Pepi-Onkel und blies meinem Vater so lange Rauch in die Nasenlöcher, bis mein Vater vom guten Vorsatz der Enthaltsamkeit abließ und über die Zigarettenschachtel vom Pepi-Onkel herfiel.
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Rügte ihn meine Mutter wegen »Charakterschwäche«, schlug mein Vater höhnend das Haushaltsbuch auf, und dort stand Jahr für Jahr nichts anderes als: »1 Heft blau« und dahinter der Preis.
Als Kind solcher Eltern aufgewachsen, lagen mir gute
Vorsätze zum Jahreswechsel schon immer sehr fern. Still und bescheiden die minimalen Möglichkeiten zur Veränderung meiner Charakterstruktur kennend, schreite ich von Jahr zu Jahr; und wenn mir schon einmal versehentlich zu diesem Termin ein
»guter Vorsatz« unterläuft, dann behalte ich ihn bei mir, erwähne ihn vor keiner noch so freundlichen Menschenseele -
um nicht am Heiligendreikönigstag dem Hohn der Familie preisgegeben zu sein.
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Postskriptum
»Ich schreibe gern für die Zeitung«, pflegte ich oft zu sagen und lieferte auch gleich die Begründung mit: »weil Zeitung ein kurzes Leben hat. Heute schreibst du, morgen wird es gedruckt, und übermorgen wickelt die Gemüsefrau den Salatkopf in deine Betrachtungen. Das beruhigt! Du kannst dir einreden, daß du vorgestern oder vorige Woche oder voriges Jahr einen speziell witzigen oder geistreichen oder rührenden Artikel verfaßt hast, denn nichts von dem, was du dir ausgedacht und formuliert hast, steht als Beweis zwischen zwei Buchdeckeln in Regalen
herum!«
Nun habe ich mich dieser schönen
Selbsttäuschungsmöglichkeit beraubt. Aber irgendwie liegt das ja auf meiner Linie. Wenn ich schon jahrelang versuchte, meinen »geneigten Leserinnen« die Selbsttäuschung zu
vermiesen, darf ich wohl mit mir nicht schonender umgehen.
Für eine Zeitung zu schreiben hat aber noch einen anderen Vorteil. Das, was man »feed back« nennt, also die Leserpost, kommt üppiger. Man muß merken, bei welchen Lesern man
ankommt und bei welchen man auf Ablehnung stößt. Von
Briefen, die wahre Liebeserklärungen sind, über obszöne Verwü nschungen bis zu Morddrohungen kann da alles
passieren, und die Möglichkeit, daß man, schön langsam und mit den Jahren, seiner Anhängerschaft »nach dem Maul«
schreibt, ist natürlich verlockend, weil man ja lieber Liebesbriefe als Morddrohungen bekommt.
Dieser Verlockung zu widerstehen fiel mir leicht, weil ich auch nach jahrelangem Training nie recht kapiert habe, worüber meine »geneigten Leserinnen« böse werden und worüber sie sich freuen.
Tatsache ist jedenfalls, daß nach einer Glosse, die sich mit einem Katzenhaar auf einem Kaffeelöffel befaßt, zehnmal soviel
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Leserpost kam wie nach einer Glosse über
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