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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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denen. Nun konterte ich, ohne die Nutte anzusehen und auch ohne mir was dabei zu denken: Na, Opa. Da ging die miese Hurentochter auf mich los und sprühte mir Tränengas ins Gesicht. Ich lief zurück in den Keller vom ›Molotow‹, wusch mir die Augen mehrfach aus, packte meine Sachen im Rekordtempo zusammen, bestellte ein Taxi, schleppte meinen Krempel hoch, nahm auch noch die deutsche Heidi mit, ließ sie freundlicherweise zu Hause in ihrem betuchten Stadtteil absetzen, und dann fuhr ich heim nach Sankt Georg, wo mich noch nie eine Prostituierte angegriffen hatte.
    Den darauf folgenden Vormittag begann ich mit Umstrukturieren. Ich baute die BeEmEs in den Ablauf der PeKaEs ein. Die BeEmEs wurde von der Kulturbehörde gefördert. Ich musste sie wenigstens noch vier Mal aufführen. Das Telefon klingelte. Am Apparat meldete sich Professor Böhmler vom Lerchenfeld, wo ich selber seit einem Jahr als Gastprofessorin tätig war. Böhmler berichtete, er wäre gerade zum Präsidenten gewählt worden, und er würde mir seine Stelle als Vertretungsprofessur ab dem nächsten Semester anbieten. Nicht schlecht. Vor allem, weil er alsbald pensioniert werden sollte und damit aus der Vertretung eine reguläre Professur werden könnte. Nur ganz umsonst war das bestimmt nicht. ¿Quanta costa? Böhmler druckste rum, er hätte gute Sachen über die PeKaEs gehört, und fragte, ob ich das Ding mit meinen Studenten auf der kommenden Feier der Jahresausstellung aufführen könnte. Geil. Falls ich Gäste zur Show einladen wollte, gab es fünfhundert Euro für Gastvorträge. Ich sagte zu. Aber zum Teufel. Die Jahresausstellung fand bereits übermorgen statt. Heute Abend machte ich eine PeKaEs auf Kampnagel, die auch gleichzeitig eine BeEmEs sein sollte. Das hieß, dass ich nur morgen Zeit hatte, um mich mit den Studenten zu treffen, um den Ablauf zu proben. Ich brauchte Gäste. Ich brauchte Requisite. Ich brauchte Assistenten. Ich brauchte Hilfe. Vor allem brauchte ich jemanden, der die Studenten beschäftigte, damit ich mich auf meine Moderationen und Slapsticks konzentrieren konnte. Seltsamerweise dachte ich da sofort an Leon. Seine damalige Geburtstagsparty hatte mich so nachhaltig beeindruckt, dass ich noch immer davon profitierte.
    Die Show musste gut werden. Davon hing bestimmt auch ab, ob ich als Nachfolgerin von Böhmler infrage kam. Mittlerweile wusste ich, dass ich für diesen Job wie geschaffen war. Im Gegensatz zu meinen Kollegen entwickelte ich immer noch meine eigene Kunst, die sich außerdem als eine neue Stilrichtung etablierte. Dadurch stand ich den Studenten viel näher als meine Kollegen. Ich behandelte die Studis als Partner, und sie lernten schnell von mir. Innerhalb von wenigen Wochen holte ich aus ihnen das raus, wofür meine Kollegen Jahre brauchten. Falls sie überhaupt dazu ambitioniert waren. Nach diesem einen Jahr bildete sich bereits so was wie die Lola-Love-Klasse ab. Als Person war ich sowieso die totale Ausnahmeerscheinung. Ich lief nicht im schwarzgrauen Anzug rum. Ich verkehrte nicht auf Senatsempfängen. Ich fuhr keinen BeEmWe, keinen Mercedes, keinen Porsche. Ob tagsüber oder abends zog ich nach wie vor meine normalen Outfits an, die der normale Spießbürger für Verkleidung hielt. Jeden Tag hörte ich immer wieder die gleichen Sprüche: Fasching ist schon längst vorbei. Kommst du gerade vom Rave? Christopher Street Day war doch erst? Love Parade ist doch in Berlin? Gehst du auf den Schlagermove? Du hörst doch bestimmt Elektro? Ich wechselte Perücken und Haarfarben wie Handschuhe. Je nachdem, welchen Film das Volk aus dem Kino oder Fernseher kannte, war ich Pippi Langstrumpf, Lola rennt, Lara Croft. Auf den Fluren der HaEfBeKa zischten mir die Kollegen im Vorbeigehen spöttisch zu: Zieh dir doch endlich ein Kostüm an. Kannst du dir denn von deinem Gehalt keine anständigen Klamotten leisten? Kommst du aus dem Club oder gehst du erst hin? Ich schlackerte nur mit den Ohren, schüttelte mit dem Kopf und ging einfach weiter in meinen Seminarraum, wo mich die Studenten sehnsüchtig erwarteten. Sie mochten mich. Sie luden mich zu ihren Partys ein und kamen auch zu meinen. Es störte sie nicht, dass meine Person polarisierte. Ich gab das Bild einer Professorin ab, das mit dem meiner Machokollegen mit den dicken Bäuchen kollidierte. Wahrscheinlich wollte sich Böhmler an denen rächen, bevor er in den Ruhestand ging. Er versuchte einen anarchistischen Fremdkörper in diesen versteinerten Laden reinzusetzen,

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