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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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gearbeitet, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zu dem Job war sie durch Rüdiger gekommen, der oft Kunde in Domina-Studios war. Da hatten sich wohl zwei getroffen und gefunden.
    Durch diesen bombastischen ›High Heels Contest‹, den ich mir selber in vollster Liebe zu meinem vierzigsten Geburtstag geschenkt hatte, wurde ich über Nacht zur Showkönigin des Hamburger Undergrounds. Von nun an veranstaltete ich jeden Monat im ›Molotow Club‹ auf der Reeperbahn die ›Bloody Mary Show‹, die ›Blutige Marie Performance‹, das ›Krwawa Maryska Spektakel‹ sowie auf Kampnagel die kultige ›Porno Karaoke Show‹. Diesen Hybrid aus Show und Happening nannte ich Art Entertainment , weil er Kunst und Unterhaltung verband. Damit sich immer wieder neue Leute reintrauten, die ja auch Eintritt zahlen mussten, konzipierte ich die Happenings als Mitmachshows. In der PeKaEs wurden Sexfilme live synchronisiert. Die BeEmEs richtete ich als einen Wodkatrinkwettbewerb aus. Damit sich dort am Kiez keine Prolls hineinverirrten, gab es einen Türsteher. Weil der Türsteher selber ein Proll war, konnte er Prolls von Kulturfreunden nicht unterscheiden. Auf meine Anordnung fragte er die Leute nach deren Postleitzahl. Wer in abwegigen Stadtteilen wie Billstedt oder Städten wie Osnabrück wohnte, der kam nicht rein. Um eine vertrauensvolle Atmosphäre aufzubauen, lockerte ich das Publikum eine halbe Stunde lang mit meinem Bloody-Mary-Test auf. Ich setzte mich an meinen Bühnentisch mit rot-weiß karierter Decke. Ich steckte einen Strohhalm ins Glas. Ich schenkte Tomatensaft ein. Ich goss sehr langsam hochprozentigen Wodka rein. Die Flüssigkeiten durften sich nicht vermischen. Ich nahm das Glas hoch und hielt es gegen das Licht. Jeder konnte sehen, dass der Wodka oben schwamm. Ich schlürfte mit dem Strohhalm den Tomatensaft aus. Der Wodka blieb oben. Hurra. Der Test fiel positiv aus. Ich kippte den Wodka auf ex in die Kehle. Ich sagte: Genug! Ich stellte zwei volle Flaschen Wodka auf den Tisch. Ich suchte im Publikum nach Freiwilligen. Zwei Mädchen meldeten sich, ein schwarzhaariges und ein blondes. Ich nahm sie mit auf die Bühne. Wie heißt du, wo kommst du her, und was machst du?, fragte ich die Brünette und hielt ihr das Mikro hin. Sie war gar nicht schüchtern.
    - Ich heiße Heidi. Ich komme aus Heidelberg. Ich studiere Germanistik an der Uni Hamburg.
    - Und du?
    - Mein Name ist Anna, ich bin aus Helsinki. Ich habe mich gerade am Lerchenfeld beworben.
    - Für Freie Kunst?
    - Nein, auf Lehramt.
    - Ach so, du willst Kunstlehrerin werden. Dann drücke ich dir die Daumen, dass es klappt. Ich habe am Lerchenfeld Freie Kunst studiert, und jetzt bin ich hier. Schön, nicht wahr …
    Das Publikum jubelte.
    - Danke, danke. So, Mädels, ihr braucht nichts anderes zu tun, als euch an den Tisch zu setzen und zu trinken, der Wodka ist für euch ganz allein da. Ihr könnt trinken, so viel ihr wollt. Auch die Zeit könnt ihr selbst bestimmen. Welche von euch am Ende der Show mehr getrunken hat, die hat gewonnen. Die Gewinnerin bekommt freien Eintritt für die nächsten fünf Shows, mit Begleitung. Ich stelle euch zwei leere Gläser hin, damit ihr nicht direkt aus der Flasche trinken müsst. Gastfreundlich von mir, nicht wahr … Ich weiß, ich komme aus Polen, da sind die Menschen alle so.
    Das Publikum applaudierte. Ich schenkte Wodka in die beiden Gläser ein: Na dann Prost, junge Damen! Heidi und Anna nahmen einen kräftigen Schluck. Schmeckt gut, nicht wahr? Echter polnischer ›Wyborowa‹. Ich importiere ihn persönlich nur für diese Show direkt vom Przemysl Monopolowy, moderierte ich weiter. Damit sich die Mädchen wohl und etwas privat fühlten, lenkte ich die Aufmerksamkeit der Zuschauer von nun an erst mal nur auf mich. Ich sagte, dass ich viel mehr als alle anderen trinken könnte, weil ich drei Nieren hätte. Das Publikum hörte mir gerne zu. Ich hatte diesen süßen polnischen Akzent, den man in Deutschland von Marcel Reich-Ranicki aus dem ›Literarischen Quartett‹ kannte. Ich erzählte Anekdoten über meinen angeblichen Vater, den berühmten Danziger Krawattenmacher Jan Krawacki, der sich an einer seiner eigenen Krawatten erhängt hätte. Ich bat die berühmten Danziger Vierlinge Günter Grass und seine drei warmen Brüder auf die Bühne. Ich redete mit Klaus Kinski im Jenseits. Ich trug erotische Liebesbriefe von Maria Walewska an Bonaparte vor. Ich berichtete über meine früheren Treffen mit Papst Karol Wojtyła.

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