Hausverbot
Heidi, deine Welt sind die Berge. Heidi, Heidi, denn hier oben bist du zu Haus , sang ich so laut, wie ich nur konnte, und gab dem Techniker Zeichen, dass er die Boxen noch mehr aufdrehen solle. Heidi wachte auf. Schnell hielt ich ihr das Mikro hin: Und wovon hast du geträumt, Heidi? Von den Bergen? Heidi schluckte auf, heulte und rülpste: Hughs, Quäääh, Rülps. Oh Mann, die war total besoffen. Hatte die denn keine Freunde, die sie nach Hause bringen konnten? Ich hatte die bestimmt noch den ganzen Abend an der Backe. Egal, ich musste das alles hier zu Ende bringen, dann wollte ich weitersehen. Ich brauchte erst mal jemanden für die Preisverleihung aus dem Publikum. Vorne standen wie immer Alexander Posch und Michael Weins, meine ehemaligen Kollegen aus der ›Liv Ullmann Show‹, jener Show, die wir noch bis vor Kurzem zusammen im ›Molotow‹ geschmissen hatten. Wir hatten die El UE s aber aufgelöst, weil ich den Jungs zu präsent war. Sie hatten die El UE s auf die Beine gestellt, um auf sich als Schreiberlinge aufmerksam zu machen, während ich, die doch dazugeholt worden war, auf der Bühne dermaßen abging, dass sich das ganze Rampenlicht auf mich richtete. Nach der Trennung blieben wir dennoch Freunde. Posch und Weins besuchten jede meiner BeEmEs und machten gute Stimmung in der ersten Reihe. Sobald sie auf die Bühne kamen, versäumten sie nicht, sofort ihren ›Macht Club‹ anzusagen, der im ›Mojo Club‹ nebenan am nächsten Tag stattfand. Immerhin terminierten sie ihre Alternativveranstaltung nicht auf den gleichen Abend wie die BeEmEs. So was passierte aber oft im Hamburger Untergrund. Tolle Künstler traten in Kellern auf, und niemand sah sie, weil zur gleichen Zeit in den Nebenkellern andere tolle Künstler auftraten. Posch und Weins stützten die deutsche Heidi unter den Achseln, damit sie stehen konnte. Ich ernannte sie zur Wodkakönigin der Nacht und hielt ihr noch zum letzten Mal das Mikro vor den Mund. Da kam leider nichts außer: Nyaah … Die Leute lachten, jubelten und applaudierten. Ich sah hinten an der Bar den ›Molotow‹-Chef Andreu, der an mich gerichtet manisch auf sein Handgelenk klopfte. Anscheinend hatte ich die Zeit überschritten. Um dreiundzwanzig Uhr sollte immer Schluss sein, damit die Schweinetouristen für den Umsatz reinkommen durften. Ich moderierte die Show schnell ab. Das Wichtigste war dann, bei Andreu die Einnahmen der Abendkasse abzuholen. Andreu guckte mich grimmiger denn je an.
- Du, Lola, also das war’s mit der ›Bloody Mary Show‹. Dieses Mädel vorhin wurde wegen Alkoholvergiftung ins Hafenkrankenhaus gebracht. Ich hab dann die Rechnung zu zahlen.
- Aber warum du, ist das Mädchen denn nicht versichert?
- Doch, aber da ist jetzt ein neues Gesetz. Den Krankenwageneinsatz muss derjenige bezahlen, der den Unfall verursacht hat. In dem Fall der Club, das heißt ich. Auch wenn eigentlich du. Ich will dich nicht mit den Kosten belasten, aber ich habe schon länger keinen Bock mehr auf deine Show. Da kommt nicht viel bei rum. Du sagst, der Türsteher soll keine Proleten und Touris reinlassen, aber genau die machen uns die Kasse voll.
- Ich produziere mich nicht vor Proleten.
- Na ebend. Wenn du dich für was Besseres hältst, dann tschüss.
Immerhin zahlte er mir die Abendkasse aus. Ich zählte das Geld nach. Ich kniff meine Augen zusammen. Ich musste echt heulen. Was für ein Banause, dieser Andreu. Ich versuchte seinen Drecksladen kulturell aufzuwerten. Wegen mir kamen endlich Intellektuelle in diese Eighties-Kaschemme. Meine Show war auf dem besten Wege, Kult zu werden, und da schmiss mich dieser Hohlkopf einfach raus. Primitivling. Ich ging nach draußen vor die Tür. Eine Nutte quatschte mich an: Na, Oma. Vermutlich meinte sie meinen langen schwarzen Mantel. Ich schaute mir das Outfit des Fotzenluders lieber nicht an. Ich konnte mir schon vorstellen, was sie so anhatte. Derzeit trugen alle Nutten auf der Reeperbahn neonpinke Pumps mit fünfzehn Zentimeter langen Absätzen, orange oder rosa Leggings, blaue oder pinke Plastikbodys mit freiem Bauch, Strass-Piercings rund um den Bauchnabel, schwarze, rote oder weiße Push-ups, anklebbare rote oder orange Fingernägel von fünf bis zehn Zentimeter Länge, grüne oder violette Kunstwimpern, pastellfarbige, glitzernde Lidschatten und Lippenstifte. Ich fand diese Mode schrecklich und faszinierend zugleich. Ich glotzte die Prostituierten aber nie direkt an. Welche Frau das tat, bekam sofort Ärger mit
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