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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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hatte in diesem Wagen angefangen. Vor mehr als einer Woche hatte er einmal spätnachts in einer verlassenen Gasse im Zentrum von Bristol geparkt, und da war jemand oder etwas auf den Wagen gesprungen und auf der Motorhaube gelandet. Es war so schnell wieder weg gewesen, dass er nicht hatte erkennen können, was es war, aber was er gesehen hatte, war klein gewesen, dicht am Boden, als es davonwieselte. So hatte es angefangen. Inzwischen war ihm, als sähe er das verdammte Ding überall. Im Schatten unter den Autos. Sogar im Spiegel, wenn er sich morgens rasierte.
    Er schaute wieder auf die Uhr. Zehn Uhr fünfunddreißig. Nur ein Opfer hatte die Operation Norwegen überlebt. Am Tag der Festnahme hatte er eine wirre Aussage zu Protokoll gegeben, aber jetzt lag er im Southmead Hospital und kämpfte um sein Leben. Die Ärzte ließen niemanden in seine Nähe, vor allem nicht die Polizei, die ihn mit ihren Fragen überforderte.
    Und was jetzt, du Arsch?, dachte Caffery.
    Einen Augenblick später ließ er den Motor an. Er wusste, wohin er fahren würde. Er wollte sehen, wo Ben Jakes Leiche in der Nacht gewesen war, als jemand ihm ein paar Haarbüschel abrasiert hatte.
     

5
    Jeden Monat entdeckte die Unterwasser-Sucheinheit ein paar verweste Leichen. Eine verweste Leiche ist giftig. Eine Biogefährdung. Die Flüssigkeiten, die sie produziert, wenn der Unterleib platzt, können etliche durch Blut übertragene Krankheitskeime enthalten, und wenn die Leiche von Ratten angefressen wurde, bestehen noch weitere Gefahren, etwa die einer Infektion mit Leptospirose, der Weilschen Krankheit. Wenn die Leiche bewegt wird, kommt es vor, dass sie »seufzt«, als wäre sie wieder lebendig: Luft entweicht aus der Lunge, und sie kann Tuberkulosekeime enthalten. Die meisten britischen Polizeibehörden schreiben vor, dass der Umgang mit stark verwesten Leichen von Teams mit Atemschutzgeräten übernommen werden musste. Kurz gesagt, von den Tauchern. Auch wenn die Leiche auf trockenem Boden liegt.
    Nach einer solchen Leichenbergung hielten Fleas Leute sich in ihrem Hauptquartier streng an die vorschriftsmäßige Reinigungsprozedur, und meist gelang es ihnen, dafür zu sorgen, dass es in ihren Räumen ganz annehmbar roch. Aber als sie an diesem Morgen um zehn in ihrem Büro saß und die Berichtsformulare ausfüllte, fiel ihr auf, dass etwas nicht stimmte. Sie schnupperte. Nicht schön. Sie steckte die Formulare in den Umschlag, stand auf und ging in den Korridor. Schnupperte noch einmal.
    Nach dem Unfall mit der Atemluftleitung am Tag zuvor hatten die Sanitäter sie gleich untersucht, aber sie wollte sich nicht von ihnen mitnehmen lassen. Es ging ihr gut. Sie war gesund und kräftig. Um dies zu beweisen, hatte sie sich auf den Ponton fallen lassen und zwanzig Liegestütze gemacht. Nichts und niemand hatte sie dazu bewegen können, sich für den Rest des Tages in die Klinik zu begeben, und das war auch gut so, denn keine zwei Stunden später war das Team schon wieder hinausgerufen worden, um den zwei Zentner schweren Leichnam eines sechsundfünfzigjährigen Mannes abzuholen, der auf seiner Toilette in einem Mietshäuserblock in Redlands gestorben war. Da hatte er acht Tage gesessen, mit der Pyjamahose an den Fußknöcheln. Toiletten waren am schlimmsten, weil man sich dort meist nicht bewegen konnte. Drei Stunden hatten sie gebraucht, um ihn herauszuholen. Als sie wieder in die Basis zurückkehrten, hatten sie ihre Chemieschutzanzüge dekontaminiert, das heißt sie auf dem Boden ausgebreitet und mit langstieligen Bürsten abgeschrubbt, gespült und desinfiziert; sie hatten die Fünf-Phasen-Filter in den Atemmasken gewechselt und schließlich alles mit einer antibakteriellen Lösung eingesprüht. Streng nach Vorschrift.
    Aber der Geruch des Mannes war noch da.
    Flea ging in die Spindräume, wo das gesamte Team sich umzog. Sie war nicht entzückt darüber, dass sie alle von der Narkose am Tag zuvor wussten. Bis jetzt hatte noch niemand sie deshalb aufgezogen, aber das konnte noch kommen. »Was riecht hier so, Leute?«
    »Ihr Bananenbrot?«
    »Sehr komisch. Wir haben alles dekontaminiert. Es dürfte hier nicht so riechen.«
    Wellard zuckte die Achseln. Die anderen schüttelten die Köpfe.
    »Okay. Dann los.« Sie machte eine scheuchende Handbewegung. »Alle. Macht's noch mal. Mit Janitol.« Niemand rührte sich. Alle starrten sie nur an. »Was ist los?«
    »Wir haben's schon gemacht. Noch mal. Als Sie im Büro waren. Zweimal sogar.«
    »Zweimal?

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