Hautnah: Sinnliche Begegnungen (German Edition)
die Katze auf den Arm und trat vom Fenster zurück. Zitternd setzte sie sich, dann fasste sie sich an den Hals.
War es doch kein Traum?
Schleunigst vertrieb sie den Gedanken, sie war eine erwachsene Frau von fünfundzwanzig Jahren! Warum machte dieser Mann sie so nervös?
Vielleicht war sie wirklich schon zu lange alleine, die letzte Beziehung hatte sie vor zwei Jahren gehabt. Seitdem … nun ja, sie war mit keinem Mann mehr zusammen gewesen.
Oder etwa doch?
Ihr Kopf fing wieder an zu rattern, doch wie sie es auch drehte und wendete, sie verstand es einfach nicht. Verstand und Logik trumpften auf, doch scheinbar hatte niemand außer ihr den Mann gesehen. Wenn man die Katze mal außen vor ließ.
Bin ich verrückt? , fragte sie sich.
Ganz in ihren Gedanken versunken, merkte sie nicht, dass sie sich im Fell der Katze festgekrallt hatte. Doch Loulou wehrte sich und wand sich aus ihren Armen.
„Oh, entschuldige“, sagte sie und stand auf. Sie ging in die Küche, um den Futternapf zu füllen. Immer eine gute Wahl, um die Katze zu besänftigen. Danach ging sie zurück ins Wohnzimmer und sah vorsichtig aus dem Fenster.
Der Gehweg war leer.
Sie drehte sich um und wollte zurück auf das Sofa. Doch sie erstarrte mitten in der Bewegung. Da stand er, in ihrem Wohnzimmer, seine blauen Augen leuchteten.
Anja schrie. Panisch zog sie die Decke fester um sich. Doch der Mann stand einfach nur da und bewegte sich nicht.
Ihr Schrei erstickte, stattdessen wurde sie wütend.
„Was willst du? Und wie zum Teufel kommst du hier rein? Es ist doch alles verschlossen! Was soll das alles?“
Feindselig sah sie ihn an.
„Verzeih“, sagte er mit rauchiger Stimme. „Ich bin von dir geblendet, seit ich dich sah. Ich kann dich nicht vergessen“, sagte er entschuldigend.
„Wer bist du?“, wollte sie wissen.
„Ich bin Bastien“, erklärte er und sprach den Namen französisch aus.
„ Was bist du?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. Sie hatte Angst vor seiner Antwort.
Er lächelte und die spitzen Eckzähne blitzten in seinem Mund.
„Ist das nicht offensichtlich?“, fragte er sie.
Voller Panik wich sie zurück, bis sie an die Fensterbank stieß.
„Das ist nicht möglich! Es gibt keine Vampire!“, stieß sie laut hervor.
Doch die Worte hatten nicht die beabsichtigte Wirkung gehabt, ihre Stimme zitterte.
„Ach nein? Die Menschen glauben immer nur das, was sie auch glauben wollen“, meinte er.
Er stand noch immer auf derselben Stelle, bewegte sich nicht. Loulou kam auf leisen Pfoten in den Raum, stockte kurz, dann schlich sie schnurrend um die Beine des Fremden.
„Du bist eine Verräterin!“, schalt Anja die Katze.
„Nein. Sei ihr nicht böse. Tiere haben ein feines Gespür, besonders Katzen. Ich will euch nichts tun, das merkt sie“, sagte er und hob Loulou auf seine Arme.
Bereitwillig ließ sie sich kraulen. Langsam ging Anja auf die beiden zu.
„Bastien, richtig? Zeig mir noch mal diese Zähne!“, forderte sie.
Er öffnete die Lippen und die spitzen Eckzähne waren deutlich zu erkennen.
„Es war kein Traum, oder?“, fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf.
Anja schlug die Hand vor den Mund, fassungslos sah sie ihn an.
„Raus hier, sofort!“, fauchte sie.
Er setzte die Katze ab, sah sie mit leuchtenden Augen an und verschwand. Er löste sich buchstäblich in Luft auf.
So etwas gibt es nicht! , schrie es in ihrem Kopf.
Wie eine Statue stand sie da und starrte auf die Stelle, an der eben noch Bastien stand. War er überhaupt da gewesen? War er nur ein Produkt ihrer Einbildung, oder gab es ihn wirklich? Niemand konnte einfach so verschwinden, wie sie es gerade gesehen hatte. Ihre Logik schrie in ihrem Kopf und weigerte sich, das Gesehene zu akzeptieren. Doch Loulou hatte ihn ja auch gesehen, sich sogar von ihm streicheln lassen. Also musste er ja hier gewesen sein.
Anja schwirrte der Kopf. Sie wusste nicht, wie lange sie so da gestanden hatte. Langsam setzte sie sich in Bewegung, ging zum Sofatisch. Sie füllte ihre Kaffeetasse wieder auf und setzte sich. Der Fernsehbildschirm zeigte noch immer das Pausenbild.
Es kam ihr so vor, als hätte das reale Leben auch bei ihr eine Pause eingelegt. Denn das, was sie seit gestern erlebt hatte, gab es sonst nur im Film oder in Büchern. Sie konnte sich noch immer nicht entscheiden, ob alles real war oder nur Einbildung und zweifelte an ihrem Verstand.
Den Rest des Tages verbrachte sie lethargisch auf dem Sofa, ohne dass etwas
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