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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Wie Entenküken waren sie ihrer Mutter hinterhergelaufen.
    »Ich hatte ganz vergessen, was der für ein Wichser ist«, flüsterte Olly seiner Schwester zu.
    »Pssst!«, machte Bella.
    »Fette alte Schwuchtel.«
    »Sei still, Olly.«
    »Guck doch nur mal, wie er Dad an den Lippen hängt. Peinlicher geht’s nicht.«
    Lara seufzte. Das war Olly in Reinform. Er hatte all die Jahre so hart um die Aufmerksamkeit seines Vaters kämpfen müssen, dass er es nicht ertragen konnte, wenn ein anderer kam und sie ihm streitig machte. Als James das letzte Mal bei ihnen in Brighton zu Besuch gewesen war, hatten er und Marcus nach dem Abendessen Whisky getrunken und über alte Zeiten geplaudert, während Olly die ganze Zeit danebengesessen und vergeblich versucht hatte, sich am Gespräch zu beteiligen. Irgendwann hatte er es aufgegeben, war in sein Zimmer gegangen und hatte seinen E-Bass eingestöpselt, der so laut durch die Bodendielen gedröhnt hatte, dass Marcus nach oben gestürmt war und ihn angebrüllt hatte, er solle das verdammte Ding sofort ausschalten. Hegte Olly erst mal einen Groll gegen jemanden, ließ er sich so leicht nicht davon abbringen.
    »Hast du aber einen unhöflichen, mürrischen Bruder«, sagte Lara zu Jack und kitzelte ihn, so dass er vor Vergnügen zu quietschen begann.
    Sie ging ebenfalls auf die Toilette und stellte fest, dass die Blutung inzwischen zum Stillstand gekommen zu sein schien. Sie hoffte, dass es bald vorbei war. Als könnte es jemals vorbei sein, nach dem, was sie getan hatte. Erneut musste sie gegen das Gefühl innerer Leere ankämpfen, bevor sie aufstand und die Schultern straffte.
    »Ich habe dich genau gehört«, raunte sie Olly zu, als sie aus der Toilette kam. Jack dackelte hinter ihr her und hielt sich an ihrem Zeigefinger fest.
    »Aber er ist echt ein Wichser, Mum«, beharrte Olly.
    »Gib ihm eine Chance, Schatz. Er freut sich einfach nur, euren Dad zu sehen. Bald haben wir ihn wieder für uns.«
    Olly schnitt eine Grimasse.
    Sie gingen zurück durch die große, mit Holz verkleidete Halle. James lachte gerade schallend über etwas, was Marcus gesagt hatte. Er hatte den braungebrannten Kopf in den Nacken geworfen und betrachtete seinen nicht mehr ganz jungen Protegé aus dem Augenwinkel.
    »Ah. Habt ihr euch frisch gemacht«, sagte er und wandte sich zu ihnen um. »Ihr zwei seht umwerfend aus.« Er schenkte Lara und Bella ein strahlendes Lächeln. »Und diese Ähnlichkeit, wie zwei Matrjoschka-Püppchen.«
    »Hast du letztes Mal schon gesagt«, murmelte Olly. Lara trat ihm diskret auf den Fuß.
    »Und du bist wirklich erwachsen geworden, junger Mann.« James richtete seine Aufmerksamkeit auf Olly und hob die gezupften Brauen. »Wie alt bist du jetzt? Vierzehn?«
    Olly machte ein drohendes Gesicht.
    »Sechzehn. Wir sind sechzehn«, warf Bella ein.
    »Es ist so schön, dich wiederzusehen, James«, sagte Lara rasch. »Wie geht es Betty?«
    »Oh, die ist auf der Farm und schreibt in letzter Minute noch ein paar Szenen um. Sie lässt sich entschuldigen, aber mit dem Musical geht es im Moment ein wenig drunter und drüber. Wir haben künstlerische Differenzen mit den Hauptdarstellern, die zudem noch auf die glorreiche Idee gekommen sind, miteinander zu bumsen – Verzeihung, Kinder.« Er verdrehte die Augen. Die langen Jahre fern der britischen Heimat hatten seiner Aussprache einen leicht australischen Einschlag verliehen. »Aber das Plakat ist großartig, seht mal.«
    Er deutete auf die limettengrünen Poster, die überall im Foyer hingen. Unter der knallroten, kursiv gesetzten Überschrift Die Trout Island Theatre Company präsentiert die Weltpremiere eines großen neuen Musicals war ein sehr farbenfrohes Foto mehrerer uniformierter Feuerwehrleute zu sehen, die eine füllige, in Pailletten gehüllte Frau auf den Armen trugen. Die beiden Männer ganz außen hielten Feuerwehrschläuche in den Händen, aus denen in einem sehr unvorteilhaften Winkel Wasserfontänen spritzten. Darunter prangte in Großbuchstaben mit Serifen in Form von Feuerzungen der Name des Stücks SET ME ON FIRE! Den Großteil des restlichen Platzes nahmen Bettys und James’ Namen ein.
    »Toll«, sagten Marcus und Lara im Chor.
    »Das hat ein sehr begabter Junge von der örtlichen Highschool entworfen.« James seufzte. »Es gibt so viel Talent in dieser Stadt, das nur darauf wartet, freigesetzt zu werden«, fügte er hinzu und warf sich einen Tortilla-Chip aus blauem Mais in den Mund. »Das ist Teil unserer Mission

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