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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Hubschrauberpiloten die Weisung erteilt, noch ein wenig mit dem Abseilen des SEK-Mannes zu warten. Die Brandenburger sollten ruhig eine weitere halbe Stunde etwas von diesem Kunstwerk haben, bevor es wieder eingerollt würde.
    »Sie kennen das Bild nicht?«, fragte er Wegmann und sah im Augenwinkel, wie Karin Sommer zu grinsen begann.
    »Nein. Ich bin in der Graffitiszene nicht so präsent.«
    Manzetti schmunzelte. Wegmann bemerkte nicht, dass die Lachmuskeln in Karin Sommers Gesicht zuckten. Die Hand über den Augen schaute er hinüber zum Dom, auf den kreisrunden Mund von Polizeidirektor Claasen, der vom Dach der Kirche ein nicht enden wollendes Aaaah in die Stadt zu schreien schien.
    »Das Bild, das diesem Graffiti zugrunde liegt, heißt Der Schrei «, füllte Manzetti Wegmanns Bildungslücke. »Es wurde von Edvard Munch gemalt, einem Norweger, der bereits 1944 verstarb.«
    »Ach so«, kam es von Wegmann. Der Blick in die Runde und die darin gegenwärtige Erheiterung verrieten ihm, dass jenes Bild durchaus einen über die Grenzen Norwegens hinausgehenden Bekanntheitsgrad hatte. Warum nur kannte er es wieder mal nicht? »Wer kann so etwas in dieser Stadt herstellen?«, fragte er schnell und hoffte, so die Aufmerksamkeit wieder von seiner Person ablenken zu können. Und tatsächlich. Alle Augenpaare richteten sich sofort auf Manzetti.
    Wie immer interessierten den aber die Fragen der Presse keinen Deut. Der Kripoleiter wandte sich nur ab, winkte in die Runde und verschwand hinter der Polizeiabsperrung. Fünf Schritte weiter blieb Manzetti dann doch stehen und sah nach oben. Die Ähnlichkeit mit Claasen, auch wenn sie nur angedeutet war, hatte etwas Frappierendes.
    »Das ist unglaublich«, formulierte Sonja, die mit einem Funkgerät in der Hand zu ihm kam.
    »Nein«, entgegnete Manzetti. »Das ist Kunst. Und das Antlitz unseres Chefs hoch über der Stadt im Schrei … das hat doch was, oder?«
    »Schon, aber Claasen sieht das etwas anders. Achtung, er naht von zwei Uhr.«
    Manzetti schaute in die von Sonja beschriebene Richtung und erkannte den wutentbrannt heranpreschenden Polizeidirektor. »Manzetti«, brüllte Claasen schon aus einiger Entfernung. »Warum ist das Ding noch nicht heruntergeholt? Muss ich mich denn um alles selbst kümmern?«
    Bei ihnen angekommen, riss der Direktor Sonja das Funkgerät aus der Hand und quäkte sofort ins Mikrofon.
    »Habicht, hier …« Er ließ die Sprechtaste los und starrte Manzetti an. »Wie lautet unser Funkname?« Als Manzetti nur mit den Schultern zuckte, drückte Claasen wieder auf die schwarze Taste.
    »Habicht, hier ist Polizeidirektor Claasen. Holen Sie sofort das Ding vom Dach.«
    Es knackte kurz, dann meldete sich der Hubschrauberpilot. »Aber der Einsatzleiter hat angewiesen, dass wir noch warten sollen.«
    Claasen war kurz davor zu explodieren. » Ich bin jetzt der Einsatzleiter. Ich, ich, ich . Und Sie holen sofort das Ding vom Dach. Haben Sie mich verstanden?«
    Dann kam ihm Manzetti endlich zu Hilfe. »Habicht 17. Hol es runter, Erick.«
    Nur wenige Sekunden später glitt eine schwarze Gestalt aus dem Hubschrauber und wurde auf das Dach des Brandenburger Doms abgeseilt. Dort begann der SEK-Beamte sofort, das für lange Zeit bekannteste Werk der neueren märkischen Kunstgeschichte einzurollen.

5
    Wie ein werdender Vater vor dem Kreißsaal, nestelte Ole Claasen ununterbrochen an seinem Einstecktuch herum. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er noch immer außer sich war. Frau Freitag, seine Sekretärin, hatte das mit ihren wachsamen Augen sofort erkannt und ihm einen beruhigenden Ayurvedatee aufgebrüht.
    Claasen sprang zu einer Wand seines Büros und nahm das einzige dort hängende Bild ab. »Ob diese Banditen wussten, dass Der Schrei bei mir im Büro hängt?«
    Natürlich wussten sie es, dachte Manzetti, verschwieg die Antwort aber. Claasen hatte in seinem Drang nach Selbstdarstellung ja hinlänglich darauf hingewiesen. Polizei und Kultur hatte die dazugehörige Schlagzeile im Kurier geheißen. Wir blitzen nicht nur Autofahrer, sondern geben uns auch den schönen Künsten hin.
    »Was meinen Sie?«, fragte Claasen erneut und stellte den Druck in die Ecke hinter das schwarze Sofa.
    »Schon möglich«, antwortete Manzetti ausweichend. »Aber genauso gut kann es auch ein Zufall sein.«
    »Zufall?«, tönte der Direktor und griff nach seiner Teetasse. »Nichts im Leben ist Zufall. Meine Frau nennt es Schicksal und das ist vorausbestimmt.«
    Manzetti fiel ein Gespräch

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