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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Das Riesengraffiti war doch bloß ein Ablenkungsmanöver.
    Kevin sah zu Luc. Er spürte, dass der über etwas grübelte, und das nervöse Zupfen verriet, dass es dabei um etwas Ungutes ging. Er kannte Luc schon eine Weile und wusste, wie schnell der aus der Haut fahren konnte.
    »Wie kommst du da drauf, dass er uns bescheißt? Das würde Nepo nie tun«, protestierte er vorsichtig, um Luc nicht zu provozieren.
    »Und warum war er dann nicht am Parkplatz, wenn er uns nicht bescheißt?«
    Kevin überlegte kurz. »Vielleicht ist ihm etwas in die Quere gekommen.«
    »Aha. Und was soll das sein, bitte schön? Das hätte dann ja wohl auch dir in die Quere kommen müssen, oder warst du gar nicht mit ihm auf dem Dach?«
    Lucs rechtes Auge glotzte Kevin vorwurfsvoll an. Der steckte den Zeigefinger in den Flaschenhals und zog ihn mit einem lauten Plopp wieder heraus. Sollte er die Wahrheit sagen und anschließend als Feigling dastehen? Nepo hatte es nicht so dramatisch empfunden, als Kevin panische Höhenangst bekam. »Warte hier«, hatte er ihm nach der Hälfte des Daches angeboten und hinzugefügt, dass er schon mal langsam wieder nach unten klettern sollte. Kevin fand, dass das ein echt feiner Zug war, denn Nepo hatte es ohne jede Häme gesagt.
    »Doch«, log er. »Ich war mit ihm oben. Aber dann haben wir uns getrennt … Du weißt schon, damit sie höchstens einen von uns kriegen.«
    Lucas winkte ab. »Sehr patriotisch, was? Dass ich nicht lache. Er ist allein zurückgeklettert und hat die Schatzkammer ausgeräumt. Wenn wir Pech haben, dann schieben die Anwälte seines Alten uns das in die Schuhe, und der feine Herr bleibt unbehelligt. Das läuft doch immer nach demselben Muster. Die ganz oben sahnen ab, und wir zahlen anschließend die Zeche. Hast du mal daran gedacht?«
    Das hatte Kevin natürlich nicht. Seit er Nepo kannte, hatte der ihn noch nie verraten. Nicht einmal, als sie achtjährig im Sparmarkt mit zwei Tüten Gummibärchen erwischt worden waren.
    »Er hat uns nicht verraten«, donnerte er heraus, »nicht Nepo. Ich kenne ihn wie einen Bruder.«
    »Feine Verwandtschaft hast du da«, sagte Lucas und drehte seinen Kopf wieder zum Fenster. »Und was machen wir nun?«
    Das wusste Kevin auch nicht. Nepo war es doch immer, der Vorschläge parat hielt.
    »Was ist mit den anderen Jungs?« Er ließ die leere Flasche in den Kasten rutschen.
    »Die sitzen zu Hause und warten«, antwortete Lucas. »Wir wollen uns um achtzehn Uhr an der Wand treffen.«
    Kevin schob den Ärmel des Shirts hoch und sah auf die schöne neue Fliegeruhr. Es war erst sechzehn Uhr dreißig. »Hast du noch Kohle?«, fragte er und kramte in den eigenen Hosentaschen nach Münzen.
    »Höchstens drei Euro«, antwortete Lucas.
    »Ich habe zwei fünfzig«, zählte Kevin die Geldstücke in seiner Hand. »Reicht für zwei Dosen. Komm, lass uns die kaufen gehen und ein bisschen was an die Wand malen.«

7
    Als Manzetti gerade sein Auto abschloss, das er hier auf dem Land im Gegensatz zur Stadt unbedingt brauchte, knatterte ein Mofa über die Dorfstraße. Es war Lara, die gerade aus der Schule kam.
    »Hi, Paps.« Sie bockte ihr Gefährt auf und kam noch mit dem Helm auf dem Kopf zu ihm in die Garage. Da das Visier hochgeschoben war, konnte er direkt in ihre Augen sehen. Sie waren genauso schön wie die ihrer Mutter.
    »Hallo Lara. Wie geht’ s?«, fragte er und küsste ihr die Hand, da er wegen des Helms die Stirn nie und nimmer erreichen konnte.
    Sie winkte ab und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als Manzetti im letzten Moment den Ärmel ihrer Jacke zu fassen bekam. »Lara, was ist denn?«
    Ohne Gegenwehr konnte er sie an die Brust ziehen, wo sie kaum verständlich vor sich her murmelte: »Ach, Paps. Du kannst mir nicht helfen.«
    Na Klasse, dachte er. Wenn es so etwas wie die Höchststrafe für einen Vater gab, dann war es der Satz: Paps, du kannst mir nicht helfen.
    »Warum denn nicht?«, hakte er nach. »Ist etwas mit der Schule? Oder hast du Liebeskummer?«
    Lara nahm den Kopf hoch und sah ihren Vater mit erschrockenen Augen an. Auslöser dafür war der letzte Teil seiner Frage, denn Liebeskummer, das hatten die Manzettitöchter sehr früh gelernt, besprach man am besten mit der Mutter. Dem halbitalienischen Vater fehlte dafür das notwendige Maß an Gelassenheit.
    »Es ist die Schule, Paps. Aber du kannst mir trotzdem nicht helfen.«
    Das sah Manzetti ganz anders.
    »Hör zu, Lara. Wir gehen jetzt rein und ich mache dir deine Lieblingspasta. Dabei

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