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Havoc - Verwüstung - Thriller

Havoc - Verwüstung - Thriller

Titel: Havoc - Verwüstung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hätte er wissen müssen, dass sie seine Spur irgendwie wieder aufnehmen würden. Er war so clever gewesen, sich direkt in die Höhle des Löwen zu wagen und mit ihrem eigenen Schiff in die Heimat zurückzukehren. Niemand konnte so etwas vorhergesehen haben. Aber irgendwie war es dennoch geschehen. Sie waren einfach schrecklich. Wie allwissende und alles sehende Gorgonen, die die Wege der Menschen immer und überall kannten.
    Der Körper des Schiffsoffiziers bedeckte fast den gesamten Kabinenboden. Chester musste über ihn hinwegsteigen, um nach einem Notizbuch zu greifen, das er auf den kleinen
Schreibtisch gelegt hatte. Er hob einen der Füllfederhalter auf, die Bauer fallen gelassen hatte. Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis der Kapitän jemanden schickte, um den Safe zu holen. Nein, dachte Chester, das nächste Mal kämen zu viele von ihnen, viel zu viele.
    Er schrieb schnell. Der Füllfederhalter raste über die Seiten, als wüsste er, was er schreiben musste, und als bräuchte er Bowie nur, damit er die Schreibfeder aufs Papier drückte. Er verfolgte, wie seine Hand hin und her über das Papier flog, und war sich dabei kaum der Worte bewusst, die er schrieb. Nach fünfzehn Minuten hatte er acht Seiten mit einer so engen Schrift gefüllt, dass er sie kaum lesen konnte. Niemand kam, daher füllte er weitere zehn Seiten und schmückte seine Geschichte so gut aus, wie seine Erinnerung es ihm ermöglichte. Er war überzeugt, dass dies sein letzter Wille und sein Testament wäre, alles, was von einer lebenslangen Obsession übrig blieb - diese Worte und dazu die Probe im Safe. Aber es war genug. Er war in die Fußstapfen von Imperatoren getreten. Wie viele Männer konnten schließlich sagen, dass sie das erreicht hatten!
    Als er meinte, dass seine Hand genug geschrieben hatte, stellte er die Kombination des Safes ein und stopfte die Papiere hinein, wobei er - wie er mit absoluter Sicherheit wusste - den letzten Blick auf die Probe warf, die er aus Afrika mitgebracht hatte. Sie glich einer Kanonenkugel. Es war eine vollendet gerundete Kapsel, die er mit der Hilfe eines Schmieds in Khartoum hergestellt hatte. Er schloss den Safe und schrieb einen Namen mitsamt einer rätselhaften Botschaft auf den steifen Deckel seines Notizbuchs. Er riss die letzten leeren Seiten aus der Spiralbindung des Buches, fädelte den Schnürsenkel seines linken Schuhs durch die Spirale und band sie an den Griff der Safetür. Dann konnte er nichts
anderes mehr tun, als zu beten, dass derjenige, der den Safe fand, ihn irgendwie zum Adressaten beförderte.
    Er brauchte nicht aufzuschreiben, wo der Mann wohnte. Jeder wusste, wo er zu finden war.
    Chester Bowie rollte die Leiche Günther Bauers unter das unterste Bett und bemühte sich, den grotesken Winkel zu ignorieren, den der Kopf zum gebrochenen Genick bildete. Dann machte er sich daran, den Safe aus seiner Ecke herauszuschieben. Zuerst wollte es ihm nicht gelingen, doch bald zerrte er derart verzweifelt daran, dass der kleine Stahlschrank schließlich über den Teppich rutschte. Er öffnete die Kabinentür, blickte in den Korridor, erst nach links, dann nach rechts, und schob den einen Zentner schweren Safe in Richtung der Treppe zum B-Deck.
    Bisher hatte ihn niemand bemerkt, doch er wusste, dass Passagiere und Beatzungsmitglieder unten verfolgten, wie die Küste von New Jersey am Aussichtsfenster vorbeiglitt.
    »Darf ich Ihnen behilflich sein, Sir?«
    Bowie erstarrte. Die Stimme erklang hinter ihm, und er erkannte sie. Wo hatte er sie schon einmal gehört? Seine Gedanken rasten. In Kairo? Karthum? Irgendwo im Dschungel? Er drehte sich herum, bereit zur Gegenwehr. Vor ihm stand der ernste junge Steward, den er am zweiten Tag der Passage angebrüllt hatte.
    Werner Franz gab sich Mühe, sich sein Erschrecken nicht anmerken zu lassen, als er den wahnsinnigen Ausdruck in Bowies Augen bemerkte. Er blickte in die wilde Fratze einer in die Enge getriebenen Ratte. Mit seinen vierzehn Jahren betrachtete Werner sich selbst als einen erfahrenen Luftschiffer, und kein geistesgestörter Passagier würde seine Fassade professioneller Kompetenz und Gelassenheit ins Wanken bringen können. »Kann ich Ihnen dabei helfen?«

    »Ja, äh, ja, danke«, stammelte Chester. Dieses halbe Kind gehörte gewiss nicht zu der Nazitruppe, die den Safe stehlen sollte. Der Kapitän würde Mechaniker und andere Offiziere vorschicken, erwachsene Männer, die ihn zusammenschlagen und den Safe bis zum

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