Hawkings neues Universum
Heim hinter der äußersten Kristallsphäre hatte, der Fixsternsphäre, wurde er nun gleichsam obdachlos.
(Selbstverständlich ist religiöser Glaube keineswegs an solche Vorstellungen gebunden, und später wurde von Theologen sogar argumentiert, wenn auch selten, dass die Annahme einer Vielzahl der Welten weitaus besser zur unbeschränkten Allmacht des Schöpfers passe. Und der Kardinal Nikolaus von Kues hatte in seiner Schrift De docta ignorantia schon 1440 behauptet: „Das Universum ist eine ‚Kugel‘, deren Mittelpunkt überall und deren Umkreis nirgends ist.“ Das könnte man fast als eine ahnende Vorwegnahme eines nichteuklidischen, gekrümmten Raums mit sphärischer Metrik ansehen, wie er in der modernen Kosmologie seit Einsteins Weltmodell eines finiten Universums von 1917 nach wie vor diskutiert wird.)
Inseln im Leeren
Dass die Sterne nicht auf einer Kugelschale verteilt sind, hat 1632 erstmals Galileo Galilei nachgewiesen. Aber schon viel früher besaßen vorsokratische Philosophen die gedankliche Kühnheit, ein unendliches Weltall anzunehmen – in dem sich dann eigentlich auch die Frage erübrigte, ob die Erde oder die Sonne im Mittelpunkt stünden. Es waren die Atomisten Leukipp und Demokrit im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., die behaupteten, die Materie ließe sich nicht beliebig klein zerteilen. Ihnen zufolge „gibt es nur die Atome und das Leere“ – die verschiedenen Atomsorten fallen gleichsam durch den unendlichen leeren Raum und verbinden sich mal hier, mal dort zu größeren Objekten, und überall sind es die gleichen Arten von Atomen mit dem gleichem Verhalten. Diese Grundannahmen, später von Epikur und seinen Schülern geteilt, standen in direkter Opposition zur Auffassung des Aristoteles, wonach unsere Welt einzigartig sein muss und es keine andere geben kann. Und noch 1584 sorgte der italienische Theologe und Philosoph Giordano Bruno (der nach sieben Jahren Kerkerhaft am 17. Februar 1600 auf dem Scheiterhaufen der Inquisition in Rom verbrannt wurde) für einen großen Skandal, als er behauptete, es gäbe unendlich viele Sterne und auch andere seien belebt.
Philosophische Behauptungen und Spekulationen sind das eine, naturwissenschaftliche Indizien etwas anderes. Ob der Weltraum wirklich unendlich ist, wird man wohl niemals sicher wissen und schon gar nicht beobachten – denn das Licht braucht Zeit, und nach dem heutigen Kenntnisstand kann man nicht weiter als 46 Milliarden Lichtjahre ins All hinaus blicken. (Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das knapp 300.000 Kilometer pro Sekunde schnelle Licht in einem Jahr im Vakuum zurücklegt: 9,46 Billionen Kilometer, die 63.240-fache Entfernung der Erde von der Sonne.) Vielleicht wird es eines Tages aber eine physikalische Fundamentaltheorie geben, die verrät, ob das Universum unendlich ist oder nicht – und ob andere Universen existieren. Dass der Weltraum sehr groß ist, haben Astronomen jedenfalls in den letzten Jahrhunderten nach anfänglich frustrierenden Messungen hinreichend deutlich demonstriert.
Dass die Sonne nur ein Stern unter vielen ist, geht als Idee auch wieder auf die Vorsokratiker Leukipp, Demokrit und Pythagoras zurück. Denn sie glaubten, die Milchstraße bestünde aus Sternen – was Galileo Galilei mit seinem Fernrohr im Jahr 1609 dann tatsächlich sehen konnte. Wie weit die Sterne entfernt sind, wurde aber nach vielen mühsamen Anstrengungen erst 1838 klar, als es Friedrich Wilhelm Bessel im ostpreußischen Königsberg mit 3000 einzelnen Beobachtungen gelang, die Parallaxe eines Sterns zu messen – also eine scheinbare Positionsveränderung am Himmel bedingt durch die Bewegung der Erde um die Sonne, welche in einem halben Jahr eine um 300 Millionen Kilometer verschobene „Perspektive“ zur Folge hat. Bessel errechnete, damals, dass der Stern 61 Cygni im Sternbild Schwan 10,2 Lichtjahre entfernt ist (ein gutes Ergebnis, tatsächlich sind es 11,3). Damit war erwiesen: Unsere Sonne ist nur ein Stern unter vielen. Tatsächlich gibt es allein in unserer Milchstraße über 100 Milliarden davon – etwa so viele wie Nervenzellen im menschlichen Gehirn, das sowohl diese Sterne, als auch sich selbst zu ergründen versucht.
Dass die Milchstraße eine gigantische Scheibe aus Sternen sei, hat der nach England ausgewanderte Astronom Friedrich Wilhelm Herschel schon 1785 aus seinen Beobachtungen geschlossen. Und dass viele unscheinbare Lichtfleckchen am Himmel andere Galaxien seien, hatte bereits 1755 der Königsberger
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