Hawkings neues Universum
(etwa in ein Heer). Bei den griechischen Geschichtsschreibern Herodot und Thukydides wurde damit auch die Staatsverfassung bezeichnet, bei dem Philosophen Platon sogar Lebensordnung, Brauch und Sitte. Darüber hinaus stand der Begriff alsbald auch allgemein für Ordnung, Wohlgeordnetheit sowie speziell für Schmuck, Ehre und Tugend.
Aber schon bei dem griechischen Dichter und Gelehrten Hesiod erfolgte der Brückenschlag zur Naturordnung, indem er beschrieb, wie Zeus eine neue Rang- und Rechtsordnung unter den Göttern herstellte und mit deren Hilfe die Welt gleichsam durch eine Gesetzgebung ordnete. Freilich stand im Gegensatz dazu nicht die Unordnung der Natur, sondern das Chaos: Nacht, Finsternis und Leere. In der Naturphilosophie der Vorsokratiker wurde „Kosmos“ mehr und mehr säkularisiert, das heißt der Begriff stand für die Welt, das Weltsystem, das Weltall und – zuerst wohl bei Heraklit – das Weltganze. Galt für Anaximander der Kosmos noch mythisch-religiös als eine Rechtsgemeinschaft der Dinge, die göttlicher Anordnung unterstellt war, sah der Pythagoreer Philolaos den Ordnungszustand des Weltganzen bereits durch Harmonieprinzipien bedingt und ihnen gehorchend, also gleichsam unpersönlich, rational und somit verstehbar. Bei Platon kam es zu einer synthetischen Rückwendung: Der Kosmos als Synonym zum Olymp, Himmel und All war die einheitliche Ordnung des Weltganzen: das vollkommenste und schönste Lebewesen, das alle anderen umfasst, das einzigartig, beseelt, göttlich, unvergänglich und ziel- und zweckgerichtet nach Vernunftprinzipien organisiert ist und durch einen Demiurgen, einen „Baumeistergott“, nach mathematisch-harmonischen Prinzipien hergestellt worden war. In der philosophischen Strömung der Stoa und der Schule Epikurs dagegen galt „Kosmos“ überwiegend als Bezeichnung für das Weltall oder Universum, wie dann das lateinische „mundus“ auch bei den römischen Philosophen Lukrez und Cicero gebraucht wurde und das mittelalterliche „cosmos“ oder „cosmus“. (Als Nebenbedeutung gab es, schon bei dem aus Kalabrien stammenden Poeten Quintus Ennius, freilich immer wieder auch die Wortfelder „Reinheit“, „Sauberkeit“ und „Schmuck“, besonders auch „Himmelsschmuck“.)
Mit der Entstehung der modernen Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert wurde der Begriff „Kosmos“ dann zugeschnitten auf die bis heute dominierende physikalische Perspektive aufs Weltganze, ohne den mystisch-religiösen Ballast. Aber das Weltganze galt weiterhin als etwas Geordnetes, wobei sich diese Ordnung in den Naturgesetzen manifestiert oder ausdrückt (ob nur als abstrakte Beschreibung oder als fundamentale, womöglich eigenständige Struktur ist bis heute umstritten und eine metaphysische, keine physikalische Frage). Insofern haben sich das vorsokratische Bedeutungstrio von Weltganzem, Ordnung und Gesetzlichkeit und die damit einhergehende Annahme einer rationalen Verständlichkeit bis zur Gegenwart gehalten.
Aber nicht nur der Begriff, sondern auch die konkreten Vorstellungen vom Kosmos waren und sind einer umgreifenden Entwicklung unterworfen: Von der Erde als Scheibe zur Kugel im Zentrum von allem (geozentrisches Weltbild) zu einem Planeten unter vielen, die die Sonne umlaufen, zur Vorstellung von Myriaden anderer Sonnen mit (womöglich belebten) Planeten, von ganzen Sternsystemen (Galaxien) und einem vielleicht unendlichen Universum mit unzähligen Galaxien bis hin zu einem Multiversum aus unterschiedlichen einzelnen Universen oder sogar einem Kosmos aus unendlich vielen voneinander unabhängigen Multiversen oder überhaupt allen Realisierungen mathematischer, metaphysischer oder physikalischer Möglichkeiten ...
Ein Luftballon und die Dunkelheit der Nacht
Ein Luftballon in der Tasche ist immer nützlich – besonders dann, wenn es darum geht, die schwierigen Fragen der Kosmologie zu veranschaulichen. Mario Livio hat deshalb meistens einen dabei. Und wer genau hinschaut, sieht kleine schwarze Punkte auf der Gummihaut. Die hat der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Hubble-Weltraumteleskop-Instituts in Baltimore, Maryland, eigenhändig aufgemalt. Doch bevor er den Luftballon aufbläst, stellt er gerne noch eine der berüchtigten „einfachen“ Fragen: Warum ist es nachts dunkel?
Über diese Frage hatte schon der Bremer Astronom und Arzt Heinrich Wilhelm Olbers (1823) nachgedacht, und vor ihm unter anderem die Astronomen Johannes Kepler (1610), Edmond Halley (1720) und
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