Hawks, John Twelve - Dark River
möchte mit Ihnen sprechen.«
Während die Gäste weiterhin Drinks orderten und die Barmädchen auf der Suche nach einsamen Männern waren, stieg Maya auf die Bühne und setzte sich auf einen Klappstuhl. Der Trommler kniete sich vor die beiden Frauen und übersetzte, während die Sängerin ihren Daumen auf Mayas Handgelenk drückte wie eine Ärztin, die den Puls überprüft.
»Bist du verheiratet?«, fragte die Sängerin.
»Nein.«
»Wo ist dein Geliebter?«
»Ich suche ihn.«
»Wird es eine schwierige Reise?«
»Ja. Sehr schwierig.«
»Das weiß ich. Ich kann es fühlen. Du musst über den dunklen Fluss.« Die Sängerin berührte Mayas Ohren, Lippen und Augenlider. »Mögen die Heiligen dich beschützen vor dem, was du hören und schmecken und sehen wirst.«
Während Maya an den Tisch zurückkehrte, begann die Frau, ohne Mikrofon zu singen. Überrascht eilte der Masinkospieler auf die Bühne. Das Lied für Maya war anders als die Lobgesänge, die im Lauf des Abends zu hören gewesen waren. Der gedehnte Gesang klang traurig und tiefgründig. Die Barmädchen hörten zu lachen auf, und die Trinker stellten ihr Bier ab. Selbst die Kellner hielten mitten im Raum inne, die Hände voller Geld.
Und dann endete das Lied so jäh, wie es begonnen hatte, und alles war wie gehabt. Tränen glitzerten in Petros’ Augen, aber er drehte sich weg, damit Maya sein Gesicht nicht sehen konnte. Er warf ein paar Geldscheine auf den Tisch und sprach in schroffem Ton. »Kommen Sie. Wir sollten jetzt gehen.« Maya bat ihn nicht um eine Übersetzung. Zum ersten und einzigen Mal im Leben hatte man ihr ein Lied gesungen. Das war genug.
Es war fast ein Uhr nachts, als sie zum Kirchengelände zurückfuhren und das Auto erneut im Innenhof parkten. Der größte Teil des Grundstücks lag im Dunkeln, und sie stellten sich unter die einzige leuchtende Lampe. Simon Lumbroso wirkte bedrückt, so wie er in schwarzem Anzug und Krawatte dastand und zum Heiligtum hinüberstarrte. Petros machte einen nervösen Eindruck. Er ignorierte das Heiligtum und beobachtete die Kirche.
Diesmal ging alles viel schneller. Zuerst erschienen die jungen Männer mit den Gewehren; schließlich öffnete sich die Kirchentür, und der Wächter kam heraus, gefolgt von den anderen Priestern. Alle wirkten sehr feierlich, und es war unmöglich vorauszusagen, welche Entscheidung der Wächter getroffen hatte.
Der Wächter blieb mitten auf dem Steinpfad stehen und hob den Kopf, als Petros auf ihn zuging. Maya hatte eine spezielle Zeremonie erwartet – irgendeine Art Verkündigung –, aber der Wächter klopfte einfach nur mit seinem Gehstock auf den Boden und sprach ein paar Worte in Amharisch. Petros verbeugte sich und lief zum Land Rover zurück.
»Die Heiligen haben für uns gelächelt. Er hat entschieden, dass Sie eine Tekelakai sind. Sie haben die Erlaubnis, das Heiligtum zu betreten.«
Maya hängte sich das Talismanschwert über die Schulter und folgte dem Wächter vor das Heiligtum. Ein Priester mit einer Petroleumlampe schloss das Außentor auf, und sie betraten den vergitterten Bereich. Das Gesicht des Wächters war eine emotionslose Maske, aber es war offensichtlich, dass er bei jedem Schritt starke Schmerzen hatte. Er stieg eine Stufe zur Tür des Heiligtums hinauf und hielt dann inne, um sich zu sammeln, bevor er den nächsten Schritt tat.
»Nur Weyzerit Maya und der Tebaki werden das Heiligtum betreten«, sagte Petros. »Alle anderen bleiben hier.«
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Petros.«
»Es war eine Ehre, Ihnen zu begegnen, Maya. Viel Glück auf Ihrer Reise.«
Maya wollte Simon Lumbroso die Hand reichen, aber der Römer machte einen Schritt auf sie zu und umarmte sie. Das war der schwierigste Moment. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, in diesem kleinen Zirkel zu bleiben, der Trost und Sicherheit versprach.
»Vielen Dank, Simon.«
»Sie sind so mutig wie Ihr Vater. Ich weiß, dass er stolz auf Sie wäre.«
Ein Priester zog die rote Plastikplane zur Seite, damit der Wächter die Tür zum Heiligtum aufschließen konnte. Der alte Mann steckte den Schlüssel wieder in seine Robe und nahm die Petroleumlampe entgegen. Er grunzte etwas auf Amharisch und gab Maya ein Zeichen. Folge mir.
Die Tür wurde langsam geöffnet, bis sich ein Spalt von knapp einem halben Meter auftat. Der Wächter und Maya schlüpften hindurch, und die Tür wurde hinter ihnen geschlossen. Maya fand sich in einem etwa fünfzehn Quadratmeter großen Vorraum wieder. Das
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