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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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können. Sie haben sich dadurch zu dem Schluss verleiten lassen, dass
alle Behinderungen einen verborgenen Segen in sich tragen. Das ist zum einen
ziemlicher Blödsinn. Zum anderen bin ich ja trotz allem kein Zwerg, nur eben
knapp unterdurchschnittlich groß. Es gibt aber auch noch einen dritten Aspekt,
denn mehr als 70 Prozent
der Chefposten auf der Welt werden von Menschen bekleidet, die größer als der
Landesdurchschnitt sind. Ebenso wird Körpergröße mit Intelligenz, Einkommen
und Beliebtheit assoziiert. Wenn ich jemand für eine Topposition in der
Wirtschaft einstelle, ist die Körpergröße eines meiner wichtigsten Kriterien.
Größe weckt Respekt, Vertrauen und Autorität. Große Menschen sind sichtbar, sie
können sich nicht verstecken, sie sind wie Masten, die der Wind von allem Kot
und Unrat befreit hat, und müssen für sich stehen. Kleinwüchsige Menschen
bewegen sich erdnah, sie führen ein Leben zwischen den Krumen, haben einen versteckten
Plan, der sich darum dreht, dass sie klein sind.
    Natürlich
ist das Blödsinn, aber wenn ich einen Bewerber für einen Job vorschlage, wähle
ich nicht den, der diesen Job am besten von allen erledigen wird, sondern
denjenigen, den mein Kunde auch einstellen wird. Ich präsentiere den Leuten
einen ausreichend qualifizierten Kopf - auf dem Körper, den sie haben wollen.
Um Ersteres zu beurteilen, fehlt ihnen die Qualifikation, Letzteres sehen sie
mit eigenen Augen. Wie die stinkreichen, selbsternannten Kunstkenner auf Dianas
Vernissagen: Sie sind nicht berufen, etwas über das Porträt zu sagen, wohl aber
imstande, die Signatur des Künstlers zu lesen. Die Welt ist voll von Menschen,
die Unmengen von Geld für schlechte Bilder von guten Künstlern zahlen. Und von
mittelmäßigen Köpfen auf groß gewachsenen Körpern.
    Ich
steuerte meinen neuen Volvo S8o durch die Kurven zu unserem schönen und etwas
zu teuren Haus oben am Voksenkollen. Ich habe es gekauft, weil Diana bei der
Besichtigung diesen leidenden Gesichtsausdruck bekam. Die Ader auf der Stirn,
die immer anschwillt, wenn wir miteinander schlafen, zitterte blau über ihren
mandelförmigen Augen. Sie hatte sich die strohblonden Haare mit der rechten
Hand hinter das Ohr geschoben, als wollte sie mit den Ohren erlauschen, ob
ihre Augen recht hatten, dass es dieses Haus war, nach dem sie immer gesucht
hatte. Sie brauchte kein Wort zu sagen, ich sah, dass es so war. Als der Makler
verkündete, dass er von einem anderen Interessenten bereits ein Gebot hatte,
das anderthalb Millionen über dem Schätzpreis lag, verlosch die Glut in ihren
Augen, trotzdem wusste ich, ich musste dieses Haus für sie kaufen. Denn nur mit
diesem Geschenk konnte ich wiedergutmachen, sie überredet zu haben, unser Kind
nicht zu bekommen. Ich weiß nicht mehr genau, mit welchen Argumenten ich sie
zur Abtreibung hatte bewegen können, ich weiß nur, dass keines davon der
Wahrheit entsprach. Wir waren zwei Menschen auf 320 scheißteuren
Quadratmetern und hatten doch nicht Platz genug für ein Kind. Das heißt: nicht
Platz genug für ein Kind und mich. Denn ich kannte Diana. Sie war im Gegensatz
zu mir pervers monogam. Ich hätte dieses Kind von seinem ersten Tag an gehasst.
Stattdessen hatte ich ihr einen Neuanfang geschenkt. Ein Haus. Und eine
Galerie.
    Ich
fuhr in die Einfahrt. Das Garagentor hatte das Auto längst erkannt und öffnete
sich automatisch. Der Volvo glitt in das kühle Dunkel und der Motor verstummte,
als das Tor sich hinter mir schloss. Ich verließ die Garage durch die Seitentür
und ging über den gepflasterten Weg zum Haus. Ein Prachtbau aus dem Jahre 1937, entworfen vom
Architekten Ove Bang, einem Funktionalisten, der der Meinung war, dass sich die
Kosten der Ästhetik unterordnen müssen. Ein Seelenverwandter von Diana.
    Ich
hatte oft mit dem Gedanken gespielt zu verkaufen, in ein etwas kleineres Haus
zu ziehen, ein etwas normaleres, praktischeres. Aber jedes Mal, wenn ich wie
jetzt nach Hause kam und sah, wie die tief stehende Nachmittagssonne die Konturen
betonte, wie Licht und Schatten vor der Kulisse des rotgolden glühenden
Herbstwaldes im Hintergrund spielten, wusste ich, dass es unmöglich war. Ich
konnte nicht aufhören. Ganz einfach, weil ich sie liebte. Mir blieb keine andere
Wahl. Ich musste auch alles andere akzeptieren: das Haus, die Galerie, die
Unmengen von Geld schluckte, die kostbaren Liebesbeweise, die sie nicht
brauchte, und den Lebensstil, den wir uns nicht leisten konnten. Und das alles,
um ihre

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