Heaven (German Edition)
Instabilität.»
«Aber das ist eine Lüge!» Panik durchzuckte mich wie Blitze. War es möglich, dass nach alldem mein ganzer Plan mit einem Schlag zunichte war?
Eva griff in ihre Tasche, und ich ahnte, was das bedeutete: Sie wollte Verstärkung rufen. Wenn ihre Wächter erst hier waren, war alles zu spät. Gegen sie kam ich nicht an, und auch Josef würde mir nicht mehr helfen können. Ich machte einen Schritt auf Eva zu, ich musste sie umstimmen, auch wenn ich nicht wusste, wie. Doch bevor mir eine Idee kam, sprang schon Emily vor und riss Eva zu Boden. Eva schrie auf und versuchte sich loszureißen. Ich sprang völlig überrascht zur Seite. Eva war schwer und kräftig, aber sie war keine Kämpferin, und gegen eine schlanke und trainierte Sechzehnjährige konnte sie nicht ankommen. In null Komma nichts hatte Emily sie mit dem Gesicht nach unten festgenagelt und ihr die Knie in den Rücken gedrückt.
«Wie hast du dünne Kanalratte es bloß hierhergeschafft?», keuchte Eva.
«Das geht dich gar nichts an», antwortete Emily scharf. Evas Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, Wut überzog ihre gewöhnlich ausdruckslosen Züge. Sie hatte einen Schuh verloren, und ihr Haar stand merkwürdig in alle Richtungen ab, wodurch sie nur noch bemitleidenswürdig wirkte statt gefährlich. Nur ihre Stimme hatte nichts von ihrer Kälte verloren, als sie mit zusammengebissenen Zähnen zischte: «Ich glaube, euch ist gar nicht klar, welchen Ärger ihr euch gerade eingeheimst habt. Aber wenn ihr mich jetzt gehen lasst, sorge ich dafür, dass ihr nicht in den Höllenpfuhl geworfen werdet.»
Emily beachtete sie nicht. «Verschwinde, Beth!», rief sie. «Worauf wartest du denn?»
«Aber …» Ich zögerte. «Was ist mit dir?»
«Keine Angst, ich kann auf mich selber aufpassen.»
«Du unnützes, wertloses Blag!», schrie Eva. «Das wirst du bereuen! Wenn ich mit dir fertig bin …» Sie stoppte mitten im Satz und begann ihre überirdischen Kräfte einzusetzen. Bald schon glühten Teile ihres Körpers wie eine Lampe. Auch wenn der Angriff sie kalt erwischt hatte, würde sie mit ihren Kräften bald die Oberhand gewinnen. Ich hatte nur noch ein winziges Zeitfenster, bevor alles zu spät war. Und das durfte ich nicht verstreichen lassen.
«Danke für alles, Emily», flüsterte ich tonlos.
Ich spannte meine Flügel auf und stieg in die Weiten des Himmels hinauf. Meine Flügel schnurrten vor Energie, wie ein Automotor, der zum Leben erwachte. Meine Muskeln dehnten und streckten sich wohlig, doch ich konnte das Gefühl nicht wirklich genießen, da mir schmerzhaft bewusst war, dass dies mein letzter Flug sein würde. Noch dazu im Himmel, wo es sich so ganz anders flog als auf der Erde. Es gab keine Atmosphäre, die uns zurückhielt, und daher war alles beschwingter, müheloser, so als wäre ich ein Ballon, der völlig ohne Ziel immer höher und höher stieg. Ich hoffte bloß, dass Josef irgendwie erfahren würde, was geschehen war.
Bald schon war ich von einem wirbelnden Nebel eingehüllt, der so dick war, dass ich nur ein paar Zentimeter weit sehen konnte und blind weiterflog. Auf einmal tauchten zwei Engel an meiner Seite auf, und erleichtert erkannte ich, dass es jene waren, die Josef begleitet hatten. Sie nahmen mich an der Hand und wiesen mir den Weg.
Der Flug kam mir ewig vor, wie Stunden. Keiner von uns sprach ein Wort oder drosselte das Tempo. Als ich langsam spürte, wie mich die Erschöpfung übermannte, und schon fürchtete, bald nicht mehr weiterzufliegen zu können, lichtete sich der Nebel und enthüllte direkt vor uns eine Treppe. Die Stufen waren durchsichtig, so als ob sie aus Licht beständen, das fest geworden war, um uns zu helfen. Es gab kein Geländer, und jede Stufe, die wir hinaufstiegen, löste sich hinter uns sofort auf. Ich hielt die Hände der Engel an meiner Seite fest umklammert.
Oben standen wir mitten in einem gläsernen Amphitheater, das in der Weite des Raums zu schweben schien. Die verschlungenen Pfade des Himmels waren unter uns nicht mehr zu sehen. Das Theater atmete eine eigenartige Energie aus, die jede Angst von mir zu nehmen schien. Es war wunderschön und erhaben, und ich fragte mich, was sein Sinn und Zweck waren. Kannten die anderen Engel diesen Ort? Er hatte etwas Heimliches an sich, als ob es ein geheimer Schatz wäre, den nur Auserwählte finden konnten.
Wind kam auf, und als ich mich umblickte, sah ich eine Gestalt auf uns zu galoppieren. Das Pferd war schwarz mit geflochtener
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