Heaven (German Edition)
sein.»
«Ist sie auch. Aber leider an einem Ort, an dem ich sie nicht finden kann. Das ist meine Strafe.» Er stöhnte auf, als ob all die Zeit den Schmerz der Erinnerung nicht hatte lindern können.
«Wie grausam!»
Er zuckte die Achseln. «Der Himmel ist gerecht, nicht nett.»
«Wenn ich also warte, bis Xavier herkommt …»
«Wird euch wahrscheinlich das Gleiche blühen», sagte Josef. «Der Himmel ist das reinste Labyrinth. Es gibt so viele Ebenen, und zu manchen Dimensionen haben nicht einmal die Höchsten Zugang.»
«Warum bist du nicht zurückgegangen, wo du doch die Möglichkeit hattest?», fragte ich verwirrt.
«Damals wusste ich noch nicht, was ich jetzt weiß. Aber wir sind nicht hier, um über meine Vergangenheit zu reden. Ich nehme an, ich soll dir helfen, zurückzukehren?»
«Ja», beeilte ich mich zu sagen. «Bitte schnell, bevor es zu spät ist.»
«Und du weißt, was das für dich bedeutet?»
Ich nickte und spürte, wie es mir kalt den Rücken herunterlief. Hoffentlich bemerkte Josef es nicht.
«Hast du keine Angst?»
Ich schüttelte vehement den Kopf und versuchte so beherrscht wie möglich zu wirken. Josef musterte mich. «Ich weiß nicht, was du alles erlebt hast, aber es hat dich stark gemacht. Trotzdem möchte ich, dass du noch einmal gründlich über alles nachdenkst. Darum geh jetzt. Wir sprechen später noch einmal darüber.»
Wollte er mich loswerden? Fand er, dass ich es nicht wert war? Hatte ich es nicht geschafft, ihn von meiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen? Ich geriet beinahe in Panik und spürte, wie mir die Tränen kamen. Schnell blinzelte ich sie weg und biss mich heftig auf die Unterlippe. Wenn Josef meine einzige Chance war, zu Xavier zurückzukehren, durfte ich sie nicht verspielen. Ich straffte die Schultern und hob das Kinn.
«Ich brauche keine Bedenkzeit. Ich brauche deine Hilfe jetzt sofort.»
«Tut mir leid, aber ich helfe niemandem, der überstürzte Entscheidungen trifft.»
Wütend starrte ich ihn an. Wie konnte er ein Urteil über jemanden fällen, den er gerade erst kennengelernt hatte? Selbst wenn er sich noch so gut in mich hineinversetzen konnte, er wusste nichts, aber auch gar nichts, über Xavier und mich.
«Dann lass es», sagte ich schließlich, drehte mich auf den Absätzen um und stolzierte davon. Noch nie im Leben hatte ich mich einsamer gefühlt. Selbst in den dunkelsten Stunden in Hades hatte ich Verbündete an meiner Seite gehabt. «Ich komme schon alleine klar. Ich bin noch immer alleine zurechtgekommen.»
Mein Ausbruch schien irgendetwas in Josef zu verändern.
«Du wirst entsetzliche Schmerzen haben.» Bei seinen Worten hielt ich sofort inne. «Schreckliche Schmerzen, mit denen unsereins nicht umgehen kann.»
Ich drehte mich langsam zu ihm um und sah ihn an. Dieses Mal blinzelte ich nicht, trotz seines düsteren, humorlosen Blicks. Sein ganzes Gehabe war ungehobelt und nüchtern.
«Ich bin auf alles gefasst.»
Meine Entschlossenheit schien ihn zu faszinieren. «Und du hast gar keine Fragen?»
«Nur eine. Wird es gutgehen?»
«Was mit dir passiert, kann ich nicht steuern.»
«Aber dies ist meine größte Chance?»
«Ja.»
«Und es gibt Engel, die jetzt als Menschen leben?»
«Nur die, die den Übergang überlebt haben.» Seine Direktheit war beunruhigend. Ich wünschte beinahe, er würde die Wahrheit schönreden. «Wenn es allerdings schiefgeht, bist du erledigt. Schon allein das physische Trauma kann tödlich sein. Statt dich zu verwandeln, endest du dann als Mischwesen.»
«Was heißt das – Mischwesen?»
«Du bist zwar auf der Erde, aber in einer Art paralytischem Stadium, in dem du zu nichts nütze bist.»
Diese Aussicht machte mir mehr Angst als die schlimmste Strafe, die ich mir ausmalen konnte. Nur eine Last für jene auf der Erde zu sein, die einen liebten. Konnte es etwas Schlimmeres geben?
«Willst du es trotzdem tun?»
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter.
«Lass uns anfangen.»
«Dann halte dich bereit», sagte Josef. «Wir werden kommen und dich abholen.»
«Und wohin gehen wir dann?»
«In einen abgelegenen Teil des Himmels, an dem uns niemand stört.»
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31
Folter
Gleich darauf verschwanden Josef und seine Männer, versprachen aber, mich wieder aufzusuchen, wenn die Zeit reif war. Wie lange das ungefähr dauern würde, verrieten sie mir nicht. Emily räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich hatte sie zwischenzeitlich völlig vergessen gehabt und
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