Heaven (German Edition)
überlegte, wie ich sie jetzt auf möglichst höfliche Weise loswurde. Ich brauchte Zeit für mich, um mich gedanklich auf das vorzubereiten, was vor mir lag. Emily schien meine Gedanken zu erahnen.
«War das mein Stichwort?», fragte sie.
Ich lächelte sie verlegen an. Ich wollte nicht undankbar wirken, schließlich hatte sie mir sehr geholfen. «Es tut mir leid. Aber ich muss ein bisschen allein sein.»
«Das ist schon in Ordnung.» Sie verzog ihren Mund zu einem schmalen Lächeln. «Kann ich irgendetwas tun?»
«Pass auf Xavier auf, bis ich zurück bin.»
«Ich gebe mir Mühe», sagte Emily.
«Danke. Und vielen Dank für deine Hilfe. Ohne dich hätte ich das nicht geschafft.»
«Ich bin froh, dich kennengelernt zu haben», gab sie zu. «Du bist gar nicht so schlimm, wie ich dachte.» Emily hielt inne und sah mich an. «Kannst du mir einen Gefallen tun, wenn du nach Hause kommst?»
Sie schien nicht den geringsten Zweifel zu haben, dass ich es in einem Stück auf die Erde schaffen würde. Diese Zuversicht baute mich aus.
«Natürlich.»
«Kannst du Xavier sagen, dass es mir gutgeht?» Ich blinzelte überrascht, und Emily fuhr fort: «Die ganzen Jahre schon gibt er sich die Schuld an dem, was damals mit mir passiert ist. Ich möchte, dass er aufhört, sich darüber Gedanken zu machen.»
Ich nickte stumm. Es war, als würden Xaviers Vergangenheit und seine Zukunft in diesem Moment miteinander verschmelzen. Emilys Tod bedeutete nicht, dass sie aufgehört hatte, ihn zu lieben. Wenn alles nach Plan lief, würden wir alle irgendwann vereint sein.
Emily umarmte mich ungelenk und wandte sich zum Gehen. Doch im selben Moment erstarrten wir beide. Absätze klackerten über den Marmor. Und noch bevor wir auch nur mit dem Gedanken spielen konnten, wegzulaufen, bildete sich aus dem Nichts der Durchgang.
Als Eva erschien, bedachte sie Emily mit einem Seitenblick, lief dann aber an ihr vorbei, als wäre sie es nicht wert, von ihr beachtet zu werden. Sie bewegte sich so entschlossen, dass es beinahe roboterhaft wirkte. Heute trug sie weiße Pumps, einen graugrünen Hosenanzug und Perlenohrringe. Ihr glattes blondes Haar saß so perfekt, dass ich am liebsten die Hand ausgestreckt und es zerwühlt hätte.
Mit leicht auseinandergestellten Beinen und verschränkten Armen blieb sie vor uns stehen und bohrte den Blick ihrer kieselgrauen Augen misstrauisch in meine. Sie erinnerte mich an einen Gefängniswärter, und das war sie ja irgendwie auch.
«Möchtest du mir erklären, was du heute getrieben hast?» Sie klang wie eine Lehrerin, die bedauerte, dass die Prügelstrafe abgeschafft war.
«Nichts Bestimmtes», sagte ich. «Ich dachte, du findest es gut, wenn ich mich ein bisschen umsehe.»
Eva lief rot an, wie immer, wenn man es wagte, ihr Paroli zu bieten. «Du bist in einer sehr fragilen Verfassung», sagte sie. «Und ich bin für dich verantwortlich.»
Mir zuckten die Lippen, und ich versuchte die scharfe Bemerkung herunterzuschlucken, die mir auf der Zunge lag. Emily warf mir einen warnenden Blick zu.
«Es ist nicht Beths Schuld, Madam», piepste sie. «Sondern meine.»
Eva drehte den Kopf, um sie anzusehen. Emilys respektvoller Ton schien sie zu besänftigen, ihr gefielen Leute, die sich bei ihr lieb Kind machten.
«Emily, oder?», säuselte sie. «Vielleicht möchtest du mir erklären, was vor sich geht.»
«Da gibt es nicht viel zu sagen.» Emily war der Inbegriff der Unschuld. «Wir sind Zach besuchen gegangen. Beth und er sind alte Freunde.»
Sofort wurde Eva misstrauisch. «Und warum, wenn ich fragen darf?»
«Ich dachte, er könnte ihr helfen», antwortete Emily. «Ich dachte, er könnte Beth daran erinnern, wie es früher war.»
Das musste ich ihr lassen: Ihre Reaktionsfähigkeit war erste Sahne. Eva schien sofort besänftigt. Ich wusste, dass sie tief in ihrem Herzen gar nicht erwarten konnte, dass ich mich «erholte» und sie mich loswurde. Dass ich mich so verrückt aufführte, setzte sie bei ihren Vorgesetzten nicht gerade in gutes Licht.
«Das war sehr aufmerksam von dir», sagte Eva freundlich. «Aber du hättest es mit mir besprechen sollen.»
«Es tut mir leid.» Emily senkte den Kopf. Sie wirkte wie ein hilfloser Welpe. «Daran habe ich nicht gedacht.»
«Ist schon gut», sagte Eva sanfter. «Beim nächsten Mal weißt du Bescheid.»
Dann wandte sie sich wieder mir zu, mit neuerwachtem Interesse in den dunklen Augen. «Und? Wie war es?»
Emily runzelte hinter Evas Rücken die Stirn, um
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