Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
Vom Netzwerk:
erst angekommen. Sie war immer noch neu, exotisch, machte Mut und war aufregend. Sassy konnten wir uns nicht leisten, deshalb hatten wir keine Informationen über die Trends, die die Nation ansonsten bewegten.
    Jennifer und ich blieben bis spät in die Nacht auf, sangen Stücke von den Counting Crows in einen Kassettenrekorder oder dachten uns eigene Songs aus. Ich sang wahnsinnig gern. Ich liebte es, meine Gedanken in eine Melodie einfließen zu lassen. Es fühlte sich gut an, mit dem Körper Klänge zu erzeugen. Singen war einfach und stark. Wir coverten Songs, die uns gefielen, nahmen entsetzliche Fassungen davon auf, spulten das Band in dem alten klapprigen Kassettenrekorder zurück und lachten uns schlapp.
    Auf der Highschool kam es mir vor, als würde ich aus einem tiefen Schlaf aufwachen und die Dinge klarer sehen. Ich hatte so lange versucht, aus dem Chaos, das mich umgab, schlau zu werden, dass plötzlich einfach alles explodierte. Überall um mich herum entdeckte ich nichts als Irrsinn. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Aber das lag nicht an mir, und deshalb würde ich von nun an mein Licht nicht mehr unter den Scheffel stellen. Diese Erkenntnis drang allmählich in mein Bewusstsein. Außerdem hatte ich die Musik, die mir Halt gab. Riot Grrrl und Grunge hatten zwar anderswo stattgefunden, aber beides machte mir Mut, meinen Weg zu gehen und über die Vergewaltiger und Rassisten, über Stumpfsinn und Langeweile zu triumphieren. Da draußen gab es ein tolles Leben zu entdecken, und mit der Zeit bekam ich ein Gespür dafür. Wenn ich Arkansas erst mal hinter mir gelassen hatte, konnte ich vielleicht dorthin gelangen. In der Zwischenzeit musste ich anfangen, mich zu wehren. Ich widersprach meinen Lehrern, wenn sie gegen Abtreibung wetterten oder rassistische Bemerkungen machten. Ich schwamm absichtlich gegen den Strom, indem ich als eines der ganz wenigen Mädchen das Unterrichtsfach Werken der Hauswirtschaftslehre vorzog. Ich kochte, putzte und nähte sowieso andauernd zu Hause, warum sollte ich das auch noch in der Schule machen?
    Die Themen, die ich mir im Rhetorikunterricht ausgesucht hatte, fassten meine Einstellung ziemlich gut zusammen. Erstens: Wie trägt man Make-up auf? Und zweitens: Gewalt gegen Frauen und deren Akzeptanz im Alltag. Viele Lehrer mochten mich trotz der Tatsache, dass ich ständig provozierte.
    Im Abschlussjahr mussten wir alle ein Unterrichtsfach mit dem Titel »Familiendynamik« besuchen. Dort lernten wir alles über … Familiendynamik: sexuell übertragbare Krankheiten, Geschlechtskrankheiten und Verhütungsmethoden. Inzwischen waren wir alle siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Manche waren sogar schon neunzehn, die Sitzenbleiber, einige wenige auch zwanzig. Wir schrieben Tests mit Fragen wie: »Bist du für oder gegen ein Recht auf Abtreibung?« Die Lehrerin ließ die Schüler gegenseitig ihre Tests benoten, sodass alle vom jeweils anderen wussten, was er oder sie angekreuzt hatte. Die Lehrerin fragte: »Wer hat angekreuzt, dass er für ein Recht auf Abtreibung ist?« Tanya und ich waren die Einzigen, die die Frage mit Ja beantwortet hatten – und das, obwohl die Hälfte der Mädchen bereits schwanger gewesen war und davon die Hälfte wahrscheinlich abgetrieben hatte. Außerdem wurde uns beigebracht, wie man Geschlechtskrankheiten vermied … und nach welchen Kriterien man einen Verlobungsring auswählte! Dabei hatten nicht mal unsere Eltern Verlobungsringe, weil sie so verdammt arm waren, dass sie sich keine leisten konnten. Die meisten in der Klasse bekamen jeden Mittag eine kostenlose Mahlzeit in der Schulkantine, weil sie unter der Armutsgrenze lebten.
    Das Fach Familiendynamik war irre, absurd und ärgerlich, aber wir nahmen es ernst. Das mussten wir. Die Frau, die uns diesen Scheiß beibrachte, hatte schon unseren Eltern denselben Mist eingetrichtert. Es ging um Respekt und Tradition, deshalb gaben wir uns Mühe, die Fragen über den Unterschied zwischen einem Brillantschliff und einem Altschliff richtig zu beantworten. Solche Dinge hielt unsere Lehrerin für wichtig.
    Inzwischen war der homosexuelle Sensor meiner Klassenkameradinnen angesprungen, wenn sie mich die Gänge unserer Schule entlangkommen sahen. »Bist du lesbisch?« Vielleicht lag es an meinen superkurzen Haaren. Oder daran, dass ich tatsächlich lesbisch bin. So oder so, wenn andere Leute besser

Weitere Kostenlose Bücher