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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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Ahnenforschung hätte betreiben müssen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Wer weiß, was Dean selbst durchgemacht hatte? Wenn es den Mädchen schon schwerfiel, darüber zu sprechen, wie viel schwerer musste es für einen Jungen sein? Hatte Dean auch Schreckliches erlebt? War er deshalb zu einem solchen Ungeheuer geworden? Und was hatte Onkel Lee Roy zu dem Monster gemacht, das er war? Bei den Gedanken daran bekam ich Kopfschmerzen.
    Zwei Tage später wurde bekannt, dass Dean wegen Vergewaltigung an meiner jüngeren Cousine und meinem Cousin angeklagt worden war. Und plötzlich ergab alles Sinn. Was sie mir hatten sagen wollen und was ich nicht verstanden hatte. Jetzt, ein paar Jahre älter und mit mehr Ahnung davon, worum es beim Feminismus geht, konnte ich es mir zusammenreimen. Mein süßer kleiner Cousin und der Goldring. Mom kam dahinter, dass Dean meinen Cousin mit dem Schmuck quasi gekauft hatte, sodass dieser alles Mögliche mit sich machen ließ. Mir wurde ganz schwindlig vor Schreck. Dean hatte das Gesetz gebrochen. Das Jugendamt brachte meine kleinen Cousins und Cousinen wieder zurück zu ihrer schrecklichen Mutter; ich weiß ehrlich nicht, ob sie besser dort oder bei Tante Jannie aufgehoben waren.
    Mom fragte mich, ob mir bei Tante Jannie irgendetwas komisch vorgekommen war. Komisch? Wenn jemand wie Tante Jannie der Maßstab für normales Verhalten ist, was soll einem dann noch komisch vorkommen?

DREIZEHN
    13
    Â»JERI WILL MICH NICHT KÜSSEN«, sagte Jennifer eines Tages nervös.
    Â»Er ist schwul«, dachte ich. Meine innere Stimme sagte es mir laut und deutlich. Dieselbe Stimme, die mir auch immer wieder erklärte: »Ich bin lesbisch.« Der Klang dieser Stimme hallte nach, trotz aller Bemühungen, sie zum Schweigen zu bringen. Jeri musste schwul sein. Alles andere war undenkbar! In Judsonia machten Jungs bereits sehr früh mit Mädchen rum, weil sie sonst nichts zu tun hatten. Es war ausgeschlossen, dass ein Teenager seine feste Freundin nicht küssen wollte! Wäre alles normal verlaufen, hätte Jennifer längst Schwangerschaftstests und zwei bis drei Abtreibungen über sich ergehen lassen müssen, vielleicht hätte sie sogar schon ein Kind gehabt. Schwul, schwul, schwul, schwul, schwul. Das Wort wummerte mir durch den Kopf, aber ich sagte nichts zu Jennifer. Es hätte ihr das Herz gebrochen, und so genau wusste man es ja schließlich nicht, oder? Vielleicht irrte ich mich ja doch. Aber ich war mir sicher, dass ich mich nicht irrte! »What else can I say?«, sang Kurt Cobain. »Everyone is gay.«
    Ich fand diesen höchstwahrscheinlich schwulen Jeri außerordentlich aufregend. Ich konnte es nicht erwarten, ihn näher kennenzulernen. Gleichzeitig wollte ich aber auch nicht zu interessiert wirken, schließlich sollte Jennifer nicht auf falsche Ideen kommen und denken, ich wäre auf ihren Freund scharf. Ich meine, ich war ja auch … so war ich einfach nicht. Ich wollte nur unbedingt jemanden kennenlernen, der wie ich homosexuell war und mir dabei helfen konnte, meine Angst vor der Hölle zu besiegen. Ich fürchtete mich vor Gott. Es ist nicht leicht, in Arkansas aufzuwachsen und keine Angst vor Gott zu haben! Die Leute, die ein Interesse daran haben, dass man sich vor dem fürchtet, was sie Gott nennen, investieren jede Menge Zeit und Geld in dieses Projekt. Überall hängen riesige Schilder, auf denen »Was wirst du tun, wenn dein Ende naht?« oder »Gott sieht alles!« steht. Wenn man mit dem Wagen unterwegs ist, sieht man diese Sprüche überall. Wir fuhren im Schulbus daran vorbei oder mit meinem Dad im Auto, auf dem Weg zurück nach Georgetown. »Gott sieht alles.« Na, toll. Dann weiß er ja, dass ich lesbisch bin, und wenn es nach den Leuten geht, die behaupten, sich bestens mit Gottes Ansichten über Homosexualität auszukennen, muss ich die Ewigkeit in einem Flammenmeer verbringen. Das alles leuchtete mir damals nicht ein, aber ich fürchtete mich trotzdem. Ich wollte nicht, dass mir etwas Schlimmes zustieß. Und ich wollte nicht, dass Gott mich hasste.
    Der Abend, an dem ich Jeri kennenlernte, hätte beinahe nicht stattgefunden. Denn Jennifer wollte nicht in die schmutzige und finstere Spielhalle gehen, in der sich alle trafen. Sie wickelte sich eine Strähne ihres ungepflegten, wunderbar grungigen Haars um den Finger und maulte rum, doch schließlich gab

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