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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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Pappschachteln, in denen Hamburger verkauft werden. Sie wussten immer, wo wir waren, weil sie in einem Meer von Fahrzeugen auf der Autobahn immer nur nach dem Hamburger Ausschau halten mussten.
    Jetzt, da ich jeden Abend vor Publikum auftrat, wurde mir bewusst, wie leicht mir das fiel, wie normal es sich für mich anfühlte, auf einer Bühne vor Hunderten von Leuten zu stehen, und wie schlagfertig ich sein konnte. Ein Konzert unterschied sich gar nicht so sehr davon, als fette Fünftklässlerin seine Freunde zum Lachen zu bringen. Bei einem Konzert kletterte ein Mädchen mit einer Hundeleine auf die Bühne und bettelte, ich solle sie an die Leine nehmen und wie einen Hund über die Bühne führen. Das war mir überhaupt nicht geheuer. Aber anstatt zuzulassen, dass die Situation für uns beide peinlich wurde, sagte ich übertrieben showbizmäßig, als wäre ich Mae West: »Baby, wir sehen uns hinter der Bühne«, und schickte das Mädchen weg. Katastrophe abgewendet. Alle zeigten sich davon beeindruckt, wie ich damit klargekommen war, mir erschien das eher unspektakulär. Mit der Zeit fügte sich alles zusammen. Ich hatte meinen Platz in der Welt gefunden. Ich hatte nicht gewusst, dass ich schnell denken konnte. Eigentlich hatte ich mich sogar für ziemlich langsam gehalten. Die meisten Menschen assoziieren dick mit langsam, und wahrscheinlich hatte ich das verinnerlicht. Erst auf der Bühne begriff ich, dass ich schlagfertig bin und wie ich mit der Welt umgehen muss. Deshalb liebe ich den einen Spinner, der sich immer im Publikum befindet und einem ein bisschen was vom Scheinwerferlicht stehlen möchte, indem er dumme Beleidigungen brüllt. Ich liebe diese Zwischenrufer! Sie regen meine Kreativität an. Mir macht es nichts aus, wenn jemand sich über mich lustig macht, denn das ist wie ein Spiel, aus dem ich immer als Sieger hervorgehe.
    Auch mein Körperumfang half mir auf der Bühne. Es gibt dieses Klischee von den lustigen Dicken – und genau das war ich und bin es noch. In der Schule musste ich den anderen zuvorkommen, bevor sie sich über mich lustig machten. Ich musste charmanter, scharfzüngiger und witziger sein als die anderen. Dicke Kinder strengen sich immer besonders an, um gemocht zu werden, weil es so viele Menschen gibt, die sie gleich auf den ersten Blick hassen. Und gleichzeitig lernt man ziemlich schnell, dass es einem scheißegal sein kann. Das sind nützliche Fähigkeiten, und ich bringe sie alle auf der Bühne zum Einsatz: Originalität, Witz, Reaktionsgeschwindigkeit und ein dickes Fell. Ich habe Überlebenstechniken drauf, über die andere Menschen nicht verfügen. Mir tun Leute leid, die erst mit dreißig oder fünfunddreißig Jahren plötzlich zunehmen. Leute, die zuerst die Privilegien der Dünnen genießen und danach zu den Verlierern zählen. Ich hatte mein Leben lang Zeit, mich daran zu gewöhnen, wie Frauen behandelt werden, die nicht diesem bestimmten Schönheitsideal entsprechen und deshalb angeblich zu nichts taugen. Ich hatte die Möglichkeit, etwas aus mir zu machen.
    Ich weiß nicht, ob Nathan und Kathy begriffen, was für ein großes Ding die Tournee mit Sleater-Kinney für uns war, oder ob sie ahnten, dass dies der Beginn einer neuen, bedeutsamen Phase unseres Lebens sein würde. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass ich selbst nicht den blassesten Schimmer hatte. Aber es war ein großes Ding. Unterwegs denkt man nicht: »Oh, das wollen wir noch mal machen!« Man fährt einfach von Show zu Show, macht das, wonach die Leute verlangen, und hat Spaß dabei. Ich hätte nie geglaubt, dass man tatsächlich damit über die Runden kommen würde. Nach meiner Vorstellung arbeitete man im Fast-Food-Restaurant, verkaufte Corn Dogs und machte sich die Finger fettig. Oder man zog einen Kittel über und schmierte Sandwiches in einer Betriebskantine. Wenn man Glück hatte, fand man vielleicht einen Job irgendwo in einer Bar oder als Kellnerin, sodass man Trinkgelder kassierte. Aber tatsächlich auf Dauer davon leben zu können, dass man mit einer Band herumfuhr und jeden Abend Punkkonzerte gab? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
    Weil ich in Olympia lebte, hatte sich in meinem Gehirn der Gedanke festgesetzt, dass alle Menschen, die in Bands spielten, schwule oder lesbische Punkrocker sein mussten, die mit dem Thema Dicksein umgehen konnten. Mir kam es so

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