Heavy Cross
überall die Bigotterie geherrscht, doch hier prägten die Spannungen zwischen der normalen Bevölkerung aus dem Umland, die abends die Nachtclubs der Stadt besuchte, und den ausgeflippten Punks und Schwulen, die in der Stadt lebten, das Klima. Es gab auch aggressive Gegenreaktionen, meist in Form des sogenannten Schwuchtelklatschens. Wie immer bekam Nathan mehr ab als alle anderen, obwohl er gar nicht schwul war. Einmal wurde er von drei Jungs angegriffen, die ihn zu Boden zogen und ihn »schwule Sau« nannten. Sie traten ihm sogar auf den Kopf. All das passierte gerade mal eine StraÃenecke von unserem Haus entfernt. An dem Abend, als Boy Pussy USA in dem Billard-Waschsalon spielten, kam es jedoch zu keiner Eskalation. Es war lustig, einen Haufen Machos völlig verwirrt in der Gegend herumstehen zu sehen. Keiner von ihnen wusste, was sie von der ganzen Sache halten oder mit Nathan und Jeri machen sollten. Und was gab es sonst schon Neues?
Eines Nachmittags probten Boy Pussy USA im Keller des heruntergekommenen Punkhauses. Die Musikszene in Olympia ging auch deshalb so ab, weil man dort für wenig Geld Häuser mieten konnte, die so groà waren, dass man sogar noch einen Keller zum Proben oder Aufnehmen hatte. In allen Kellern standen Instrumente in den staubigen Ecken. Eines Tages ging Kathy, die nie zuvor in ihrem Leben Schlagzeug gespielt hatte, in den Keller und trommelte auf Jeris Schlagzeug herum. »Beth, komm und sing in unserer Bluesband!«, sagte sie. Es war ein langweiliger Tag. Wir wollten Zeit totschlagen, und aus einer Laune heraus fingen wir an, Musik zu machen. Das war die Geburtsstunde von Gossip.
Wir studierten drei Songs ein â »Heartbeats«, »Say My Name« und »Tough Love«. Und dann organisierte Nathan einen Auftritt für uns. Wir hatten nur drei Wochen, um uns darauf vorzubereiten, was Kathy total nervös machte, mich aber nicht. Dafür nahm ich mich einfach nicht ernst genug. AuÃerdem nahmen sich die anderen Bands, mit denen wir spielten, genauso wenig ernst. Der Auftritt fand in einem Laden namens 510 Columbia statt, heute befindet sich dort ein Antiquitätengeschäft. Olympia hat sich inzwischen in eine Ansammlung von Thai-Restaurants und Antiquitätengeschäften verwandelt. Wir gaben unser Debüt als Vorgruppe von Boy Pussy USA, die sich wegen Halloween einen Abend lang Zombie Beat nannten. Es war für uns eine Ehre.
An jenem Abend kamen nur wenige Leute zu dem Gig, was aber nicht weiter schlimm war. Man rechnete eigentlich nie mit vielen Leuten, in Olympia war halt ständig viel los. Spaà hatte man trotzdem. Kathy konnte den Gedanken nicht ertragen, von dem spärlichen Publikum beim Schlagzeugspielen beobachtet zu werden, und hatte deshalb Joey Casio gebeten, sich auf der Bühne vor sie zu stellen, sodass man sie nicht sah. Sie war viel zu nervös. Das Nervenaufreibendste für mich war, dass sich Rachel Carns im Publikum befand. Deutlich sichtbar stand sie mit ihren dunklen Haaren und den dramatisch schwarzen Augenbrauen inmitten der spärlichen Zuschauermenge. Sie beobachtete alles ganz genau. Mein Tag war gerettet. Mir war egal, wer sonst noch gekommen war. Rachel Carns! Sie wollte mich singen hören! Als wir mit unseren drei Songs fertig waren, half sie mir von der Bühne, nahm meine Hand und küsste sie. In dem Moment war mir völlig schnuppe, was mir im weiteren Verlauf meines Lebens widerfahren würde. Es gab so ziemlich nichts, was besser sein konnte, als von Rachel Carns einen Handkuss zu bekommen. Bis heute zählt dieser Moment zu den wunderbarsten meines Lebens.
Der folgende Auftritt von Zombie Beat war wahnsinnig komisch. Jeri ahmte einen Zombie nach, und Nathan flehte das Publikum an, um Himmels willen nicht zu klatschen, weil der Zombie sonst ausflippen würde. Natürlich applaudierten die Zuschauer daraufhin erst recht. Für die Show war falsches Blut nötig, und das beste, was wir bekommen konnten, waren die kostenlosen SoÃenpäckchen von Taco Bell. Als ich auf die Bühne sprang, um mich von Jeri, dem Zombie, attackieren zu lassen, bekam ich die SoÃe in die Augen. Es wirkte wie Pfefferspray und tat wahnsinnig weh. Ich war so froh, dass Gossip als Erste aufgetreten waren, denn ich weià nicht, ob ich nach dem SoÃenattentat noch hätte singen können.
Fünf Monate nach unserem Auftritt im Vorprogramm von Zombie Beat war unser Repertoire auf fünf
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