Hebt die Titanic
des Hotelangestellten erhellte sich, als er die Adresse las. Im nächsten Moment lagen ein Zimmerschlüssel und die Meldekarte vor Pitt.
Er drehte sich langsam um und sah vor sich das ausgezehrte Gesicht von Gene Seagram.
Als Pitt kurze Zeit später in der Badewanne lag und an einem Wodka on the rocks nippte, fragte er: »Wie haben Sie mich so schnell aufgestöbert?«
»Das war nicht schwierig«, antwortete der auf einem kleinen Badehocker sitzende Seagram. »Ich habe Sie beim Verlassen der Titanic beobachtet und bin Ihnen gefolgt.«
»Ich dachte, Sie würden jetzt an Bord sein und die Ankunft des Schiffs feiern.«
»Die Titanic bedeutet mir nichts. Ich bin nur an dem Byzanium in der Tresorkammer interessiert. Man hat mir erklärt, es würde mindestens zwei Tage dauern, ehe man das Wrack ins Trockendock bugsieren und die Trümmer aus dem Laderaum schaffen kann.«
»Dann haben Sie doch jetzt erst einmal Ruhe«, sagte Pitt freundlich. »In wenigen Wochen sind Ihre Probleme gelöst. Das Projekt Sizilien existiert dann nicht mehr nur auf Zeichenbrettern, sondern wird Wirklichkeit.«
Seagram schaute auf den Badeteppich hinunter, als er leise sagte: »Ich wollte mit Ihnen über Dana sprechen.«
Das war zu erwarten, dachte Pitt resigniert. Wie sollte er sich jetzt verhalten. Einfach weiter im freundlichen Plauderton mit dem Mann sprechen, dessen Ehefrau seine Geliebte war? »Wie geht es ihr nach ihren schlimmen Erlebnissen?« fragte er etwas lahm.
»Recht gut, nehme ich an«, antwortete Seagram mit einem Schulterzucken.
»Das nehmen Sie nur an? Vor zwei Tagen wurde sie mit einem Marineflugzeug von Bord geholt. Haben Sie sie seit ihrer Landung nicht gesehen?«
»Sie läßt sich verleugnen… sagt einfach, zwischen uns sei alles aus.«
»Wenn das Danas Meinung ist, müssen Sie sich wohl oder übel damit abfinden.«
»Nein, ich finde mich nicht damit ab!« Seagram war aufgesprungen, und einen Moment lang dachte Pitt, er werde sich auf ihn stürzen. Aber Seagram schüttelte nur in ohnmächtiger Wut die Fäuste, und in seinem Blick flackerte die Flamme ausbrechenden Irrsinns, als er schrie: »Nie werde ich Dana aufgeben! Keiner kann sie mir wegnehmen! Sie auch nicht!«
»Aber ich –«
»Sie brauchen sich nicht zu verteidigen!« unterbrach ihn Seagram bebend vor Wut. »Ich weiß Bescheid!«
Plötzlich packte er ein Zahnputzglas und schleuderte es zu Boden. »Wenn Sie jetzt nicht wehrlos in der Badewanne lägen, dann würde ich–«
»Gar nichts würden Sie!« rief Pitt. »Sie sind ein Nervenbündel und reif für den Psychiater! Verschwinden Sie jetzt und lassen Sie mich in Ruhe!«
Gene Seagram stierte ihn noch ein paar Sekunden an. Dann verbarg er plötzlich das Gesicht in den Händen, und ein würgendes Schluchzen drang aus seiner Kehle, als er sich jäh abwandte und hinausstürzte.
75
Dana musterte sich träumerisch und nachdenklich zugleich in dem hohen Wandspiegel. Die Kopfverletzung wurde durch eine neue Frisur geschickt verdeckt, und nur noch ein paar verblassende blaue Flecke an ihrem sonst makellos hübschen und schlanken Körper erinnerten an die überstandenen Gefahren. In ihren Augen entdeckte sie einen neuen Glanz.
Es war ein Schimmer von Erwartung darin, ein Ausdruck, der ihrem Gesicht einen fast mädchenhaften Charme gab. »Möchtest du frühstücken?« tönte Marie Sheldons Stimme von unten her in ihre träumerischen Gedanken hinein. Dana zog einen Morgenrock mit Spitzenbesatz an. »Vielen Dank!« rief sie durch die offene Tür. »Nur Kaffee. Wie spät ist es eigentlich?«
»Kurz nach neun.«
Marie schenkte Kaffee ein, als Dana in die Küche trat. »Was steht heute auf deinem Stundenplan?« fragte sie, ohne hochzuschauen.
»Ach, ein typisch weiblicher Zeitvertreib«, antwortete Dana. »Ich werde einkaufen gehen.«
»Weiter nichts?« fragte Marie erstaunt. »Du willst auf all die verlockenden Angebote von Fernsehsendern und Frauenmagazinen nicht eingehen?«
»Nur weil ich mit zwanzig Männern an Bord eines alten Wracks war, tut alle Welt jetzt so, als wäre ich eine Superheldin.«
»Immerhin hast du eines der tollsten Abenteuer dieses Jahrhunderts erlebt.«
Dana zuckte nur schweigend mit den Schultern. Warren Nicholson hatte Dana und alle anderen an Bord der Titanic zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Von dem Angriff der Russen auf die Titanic durfte nichts an die Öffentlichkeit dringen.
»Ein Erlebnis war es schon«, sagte sie schließlich ausweichend. »Meine Einstellung zum
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