Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
sich auf.
Später, als Clara in seinen Armen in Tränen zerfloss und er spürte, wie sein eigenes Herz in der Brust pochte, sagte er, dass der alte François letztendlich doch recht gehabt hatte.
Und noch später, schon in der Nacht, bekam er einen Anruf von Robert.
Der alte François in St-Étienne-du-Mont
Hector versuchte sich von seinem Kummer abzulenken, indem er die Aufschriften auf den zahlreichen Kränzen und Gebinden las, die man so um den Sarg herumgelegt hatte, dass er auf einer Woge von Blumen zu schwimmen schien.
Für unseren Kollegen. Dieser Kranz kam sicher von den Psychiatern des fünften Arrondissements, wo der alte François in früheren Jahren seine Praxis gehabt hatte. Die Kollegen hatten eine schöne Kombination aus Rosen und Pfingstrosen ausgewählt. Andere Kränze waren mit Abkürzungen versehen, die er nicht alle kannte: AFPA , FPA, aber ein P enthielten sie immer, denn es handelte sich um nationale und internationale Psychiatrievereinigungen. Auf einem Kranz stand Von den Beschäftigten des Tarnier-Krankenhauses . Dort hatte der alte François immer noch Gratissprechstunden angeboten.
Ein großes Gebinde aus Lilien und Eibenzweigen, auf dem ein Wappenschild mit Schwertern und Flammen prangte, hatte eine Schleife mit der Aufschrift Für unseren Kameraden – eine Erinnerung an jenen Krieg, über den der alte François niemals gesprochen hatte.
Um Hector und Clara herum, hinter den Reihen, die für die Familienmitglieder des alten François reserviert waren, standen einige sehr alte, ordenbehangene Herren mit militärischem Haarschnitt. Einen Augenblick lang bedauerte es Hector, nie Soldat gewesen zu sein – das hätte sonst eines Tages seinem eigenen Begräbnis eine distinguierte Note verleihen können. Aber das waren nur Gedanken, wie sie einem kamen, wenn man sich von seinem Kummer ablenken wollte.
An seiner Seite kämpfte Clara mit den Tränen; sie hatte den alten François sehr gemocht und war über sein scheinbar so plötzliches Ableben bestürzt gewesen. Neben ihr stand Anne, die bestimmt gerade daran dachte, wie der alte François mit ihr gespielt hatte, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
Hector konnte es kaum fassen, wie sehr seine Tochter seit ihrer letzten Begegnung zur Frau geworden war – und zu einer eleganten Frau, ganz wie ihre Mutter. Plötzlich musste er daran denken, dass Anne eines Tages bei seinem eigenen Begräbnis in einer Kirche stehen würde, und von dieser Vorstellung war er ganz erschüttert.
In derselben Reihe wie Hectors Familie standen auch Denise und Robert. Die beiden Paare hatten sich umarmt, bevor sie in die Kirche gegangen waren, und Hector und Robert hatten einen Blick gewechselt und einander wortlos verstanden.
Hinter ihnen war das Kirchenschiff voller Menschen. In seinem langen Leben hatte der alte François viele Bekanntschaften geschlossen, Ehepaare und Familien gerettet und eine Menge Leute behandelt. Trotz der unvermeidlichen Verluste über die Jahre hinweg reichte die Menge aus, um die Kirche Saint-Étienne-du-Mont zu füllen.
Und dann sah Hector, wie ganz hinten am Eingang plötzlich die Silhouette eines groß gewachsenen Mannes auftauchte. Wie versprochen, war Hector II . direkt vom Flughafen hergekommen – in Begleitung jener jungen dunkelhaarigen Frau, die Hector schon auf einem Foto gesehen hatte.
Dann richtete Hector seinen Blick wieder auf den Chor. Er malte sich aus, was der alte François an diesem Ort wohl gesagt hätte; er glaubte geradezu die Stimme seines alten Freundes zu hören: »Muss man diesen Reliquienschrein nicht bewundern? Die heilige Genoveva liegt tatsächlich darin, während von Attila nichts geblieben ist. Die Überlegenheit des Geistes über das Schwert, lieber Freund, jedenfalls in den Augen der Nachwelt, denn auf dem Schlachtfeld bin ich mir da nicht so sicher … Aber auch hier gab es wieder jede Menge Wendungen, vor allem postume, wenn man das so sagen darf … Der erste Heiligenschrein ist in der Revolution von den Sansculotten zerstört worden. Die sterblichen Überreste der Heiligen wurden verstreut, dann wiedergefunden, dann …«
Die Messe nahm ihren Lauf, man war beim Agnus Dei angelangt, und Hector murmelte die Antworten auf die Worte des Priesters und musste feststellen, dass er sie nicht mehr so genau in Erinnerung hatte. Clara nahm seine Hand und versuchte, ein paar kleine Schluchzer zu unterdrücken.
Die Sitzreihen vor ihm wurden von der großen Familie des alten François
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