Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
habe. Inzwischen kann ich es auch ziemlich gut, wenn ich meinen Gästen glauben darf … Manchmal denke ich, ich sollte ein Restaurant neben dem Klub eröffnen. So würde ich den ganzen Abend meiner Kunden unter Kontrolle haben …«
»Immer willst du alles unter Kontrolle haben«, lachte Clara.
Gunther warf ihr einen beunruhigten Blick zu, als wäre ihm gerade erst bewusst geworden, dass er ein wenig zu viel und zu selbstbewusst von sich erzählte, auch wenn alles stimmte. Aber da wurde schon der nächste Gang aufgetragen, für Clara ein Salat von Avocados und Hummer aus Maine und für Gunther ein lauwarmer Tintenfischsalat. Clara gab das einen kleinen Stich ins Herz, denn es war auch eines von Hectors Lieblingsgerichten.
Aber vielleicht war ja sie selbst das Lieblingsgericht von Hector wie von Gunther? Bei Hector allerdings war sie nicht mehr so sicher.
Plötzlich fiel ihr auf, dass die Flasche umgekehrt im Eiskübel steckte; sie hatten sie schon geleert, obwohl sie gar nicht den Eindruck gehabt hatte, viel zu trinken. Mit einer Geste, die von seiner natürlichen Autorität zeugte, bestellte Gunther eine zweite.
Und schließlich kamen sie zur Nachspeise, einem New York Cheese Cake , und während er ihr auf der Zunge zerging, fragte sich Clara, ob so ein Dessert nicht besser war als alle Drogen der Welt, wobei sie zugeben musste, dass sie es mit Drogen noch nicht probiert hatte.
»Bleib doch einfach bei mir«, sagte Gunther.
»Wie bitte?«
»Bleib bei mir in New York!« Mochte Gunther auch vorsichtig angefahren sein, jetzt hatte er direkt in den fünften Gang hochgeschaltet!
»Aber Gunther, ich habe eine Familie …«
»Du hast doch gesagt, dass sie dich nicht mehr brauchen …«
Hatte sie das wirklich gesagt? Oje, der Champagner und der Zinfandel hatten ihr zu sehr die Zunge gelöst.
»Gut«, sagte Gunther, »ich verstehe dich ja. Das alles kommt jetzt ein bisschen überstürzt. Aber dich zu sehen ist ein solches Glück für mich.«
Und er begann wieder damit, Clara mit seinem warmen Blick eines verliebten Mannes einzuhüllen, und Clara fühlte sich wohl in den Strahlen, die von seinen Augen ausgingen, aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, etwas zuzulassen, das sie eigentlich hätte abwehren müssen.
Am Ende nahmen sie ein Taxi, Gunther nannte dem Fahrer seine Adresse, und Clara ließ es geschehen.
Gunthers Wohnung war tatsächlich ein Loft mit herrlichem Blick auf den East River, aber die Möblierung wirkte ein wenig kalt, als hätte bei der Einrichtung nie eine Frau ihre Hand im Spiel gehabt.
Clara stand am großen Fenster, schaute auf die Lichter am Flussufer und fragte sich, was sie hier eigentlich tat. Es war, als steckten zwei Claras in ihr: Die eine war bereit, nachzugeben und die Nacht hier zu verbringen, aber die andere sagte, dass sie schnellstmöglich gehen sollte.
Gunther trat zu ihr, nahm sie in die Arme und wollte sie küssen.
Sie sträubte sich nicht.
Aber dann plötzlich hatte sie das Gefühl, etwas zu zerbrechen; sie hatte seit ihrer Hochzeit nie einen anderen Mann als Hector geküsst. Mit einem Mal beobachtete sie sich wie von außen – eine Frau, die sich gerade von Gunther küssen ließ. Jede Empfindung von Wärme wich aus ihr.
Gunther wurde immer drängender und schob sie in Richtung Couch. Alles ging viel zu schnell. Sie löste sich ein wenig aus seiner Umarmung. »Gunther …«
Er erwiderte nichts, wollte sie von Neuem umschlingen.
Und plötzlich trafen sich ihre Blicke, und Clara sah, dass er nicht mehr den warmen Blick des verliebten Mannes hatte; es war der Blick eines Männchens, das unbedingt sein abgestecktes Ziel erreichen und Revanche üben wollte. Wie er dahin gelangen konnte, hatte er in allen Details geplant.
Clara spürte, wie ein großer kalter Block sich über sie stülpte.
Was machte sie hier eigentlich, auf diesem Sofa, mit einer Bluse, die schon halb aus dem Rock gerutscht war, und mit Gunther, der auf ihr lastete?
Erneut stieß sie ihn von sich.
Gunther hätte die Situation vielleicht noch retten können.
Immerhin war Clara freiwillig mitgekommen und hatte ihm eine Möglichkeit eröffnet. Aber schon wieder legte er den falschen Gang ein.
Ein wenig genervt von Claras Widerstand, sagte er gereizt: »Aber was ist denn los? Du willst es doch auch!«
Vier Minuten später stand Clara in der Eingangshalle des Gebäudes und wartete auf ein Taxi, das ihr der Portier gerufen hatte.
Hector kommt ins Pantheon
»Was Lebenswenden angeht, hat dieses
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