Heidegger - Grundwissen Philosophie
wieder unter eine Form gebracht werden kann, dann steht eben auch die »logische Form Gelten […] wieder in der Kategorie Gelten«, so daß wir »zu einer Form der Form der Form« gelangen, über der dann, sozusagen an der Spitze der Pyramide, »nur die schlechthin logische Form« thront (GA 1, 25). Diese ähnelt auf fatale Weise jenen Platonischen Ideen, die Kontextualisierung und Erklärung leisten, ohne daß sie sich regreß- oder zirkelfrei kontextualisieren oder erklären ließen.
Heidegger und Frege über »Sinn« und »Bedeutung«
Beide Konzepte stehen also unter einem Platonismusverdacht. Sie stehen aber nicht in der gleichen Weise unter diesem Verdacht. Vergleichen wir Frege und Heidegger in bedeutungstheoretischer Hinsicht, stellen wir neben der Frontstellung gegen den Psychologismus eine weitere Gemeinsamkeit fest: Freges Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung entspricht ungefähr der Unterscheidung Heideggers zwischen Bedeutung und Beziehung.
Es liegt nahe, so Frege, »mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die
Bedeutung
des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den
Sinn
des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist« 18 . Daher gilt für ihn: »Ein Eigenname (Wort, Zeichen, Zeichenverbindung, Ausdruck) drückt aus seinen Sinn, bedeutet oder bezeichnet seine Bedeutung. Wir drücken mit einem Zeichen dessen Sinn aus und bezeichnen mit ihm dessen Bedeutung.« 19 Namen haben demzufolge nach Frege zwei semantische Funktionen: Sie drücken einen Sinn aus (sie haben eine Bedeutung), und sie bezeichnen eine Bedeutung (sie haben einen Bezug), wobei es für Frege auch Namen gibt, die keinen realen Gegenstand bezeichnen, die also in Freges Terminologie nichts bedeuten, [28] die jedoch einen Sinn haben, beispielsweise Namen wie »Odysseus« oder »die kleinste reelle Zahl, die größer ist als 1«. Verschiedene Namen können außerdem denselben Sinn haben. Und sinnverschiedene Namen können dieselbe Bedeutung haben.
Diese Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung, die ungefähr jener Unterscheidung entspricht, die Heidegger von Husserl übernahm, nämlich der Unterscheidung zwischen Bedeutung und Beziehung, überträgt Frege auf ganze Sätze. Er meint einerseits, daß die Bedeutung (der Bezug) eines Satzes eine Funktion der Bedeutungen der in ihm vorkommenden Namen sei. Die Bedeutung eines Satzes ist daher invariant, wenn man eine Substitution bedeutungsgleicher Ausdrücke vornimmt. Und er meint andererseits, daß der Sinn eines Satzes bei einer Substitution sinngleicher Ausrücke invariant sei. Ersetzt man in dem Satz »Der Morgenstern ist identisch mit dem Morgenstern« das zweite Vorkommnis des Namens »Morgenstern« durch den sinngleichen Namen »Abendstern«, so ändert sich der Gedanke (die Proposition). Denn der Satz ist nun keine Tautologie mehr. Daher kann der Gedanke auch nicht die Bedeutung eines Satzes sein. Denn der Gedanke ändert sich ja durch die Substitution eines sinngleichen Ausdrucks. Invariant bleibt indes der Wahrheitswert des Satzes, den Frege daher als Satzbedeutung ansieht. 20
»Das Streben nach Wahrheit also ist es, was uns überall vom Sinn zur Bedeutung vorzudringen treibt. Wir haben gesehen, daß zu einem Satz immer dann eine Bedeutung zu suchen ist, wenn es auf die Bedeutung der Bestandteile ankommt; und das ist immer dann und nur dann der Fall, wenn wir nach dem Wahrheitswerte fragen. So werden wir dahin gedrängt, den
Wahrheitswert
eines Satzes als seine Bedeutung anzuerkennen. Ich verstehe unter dem Wahrheitswert eines Satzes den Umstand, daß er wahr oder daß er falsch ist. Weitere Wahrheitswerte gibt es nicht. Ich nenne der Kürze halber den einen das Wahre, den anderen das Falsche. Jeder Behauptungssatz, in dem es auf die Bedeutung der Wörter ankommt, ist also als Eigenname [29] aufzufassen, und zwar ist seine Bedeutung, falls sie vorhanden ist, entweder das Wahre oder das Falsche.« 21
Wenn man nun einmal davon absieht, daß Freges These, nach der sich Sinn und Bedeutung eines Satzes aus dem Sinn und der Bedeutung seiner Teile ergeben, im Widerspruch zu seinem berühmten »Kontextprinzip« steht – denn dieses Prinzip besagt ja: »Nur im Zusammenhang eines Satzes bedeuten die Wörter etwas« 22 (von daher vertritt zunächst auch Frege eine gegenstandstheoretische Bedeutungstheorie 23 ) –, und wenn man davon absieht, daß es seltsam anmutet, den Wahrheitswert eines
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