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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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telefonierte immer noch und ordnete an, Grotheers Bewachung umgehend zu verstärken und in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen.
    Als wir den Neckar überquerten, fing es wieder zu regnen an.
    »Da hinten, da wohne ich«, sagte Runkel. »Aber wir müssen anbauen. Das Haus wird langsam zu klein.«
    »Ich glaube eigentlich nicht, dass Grotheer in Gefahr ist. Es haben nur drei Fotos auf Krahls Schreibtisch gestanden«, rief ich.
    »Und weshalb ist er dann immer noch in der Gegend?«, fragte Vangelis, schaltete hoch und wechselte auf die Busspur, wo sie freie Bahn hatte. »Der hat noch was vor. Da bin ich mir sicher.«
    Balkes Handy machte Musik.
    »Hi, Süße«, gurrte er, lehnte sich zurück und strahlte die dunklen Wolken an. Nach wenigen Sekunden erlosch sein Lächeln.
    »Dank dir schön. Und wenn’s dir mit deinem Oliver mal langweilig wird, du hast ja meine Nummer.« Er legte auf. »Das war die süße Jessica vom Finanzamt.«
    Vangelis ging vom Gas, weil wir das Heidelberger Ortsschild passierten, und begann, sich den Weg frei zu hupen. Der Verkehr war sehr dicht, es war kurz vor Mittag. Balke beugte sich vor und legte die Unterarme auf die Lehnen unserer Sitze.
    »In der Schweiz läuft schon seit drei Monaten ein Ermittlungsverfahren gegen diese Stiftung! Wegen Veruntreuung und so weiter. Es gibt eine Anzeige!«
    »Dann war Ihr Verdacht richtig?«
    »Bisher haben sie noch nichts Endgültiges.« Er musste sich festhalten, weil Vangelis mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz der Polizeidirektion bog. Für Augenblicke befürchtete ich, sie würde die Außenwand des Gebäudes durchbrechen, aber der BMW kam wenige Zentimeter vor dem Aufprall zu stehen.
    »Sie sollten Rennen fahren«, sagte ich beim Aussteigen erleichtert. »Sie haben wirklich Talent.«
    »Das tue ich«, erwiderte sie harmlos lächelnd.
    »Sie gewinnt fast jedes Jahr die Odenwald-Rallye«, erklärte mir Balke. »Sie ist einfach unmöglich.«
    Auf der Treppe diskutierten wir, wie wir weiter vorgehen sollten.
    »Ganz einfach«, meinte Balke, »wir greifen uns Grotheer. Sofort. Vorläufige Festnahme wegen Verdacht auf Steuerhinterziehung. Und wenn er erst mal hier sitzt, dann wird er uns schon erzählen, wie er das mit seiner Stiftung gedreht hat.«
    Sönnchen erwartete uns vor meiner Tür. Sie war sehr blass.
    »Gut, dass Sie kommen, Herr Kriminalrat!«, stieß sie atemlos hervor. »Es ist geschossen worden! Auf den Professor!«
    Wir machten kehrt und rannten die Treppe wieder hinunter. Unterwegs erfuhren wir über Balkes Handy, dass Grotheer unverletzt war. Jemand hatte von der Gartenseite her seine Terrassentür zerschossen. Mit einer Schrotflinte vermutlich.
     
    »Wer wohnt da drüben?«, fragte ich in die Runde, als ich vor Grotheers Glastür stand und durch das eimerdeckelgroße Loch auf das gegenüberliegende Gebäude sah. In dem mehrstöckigen Haus, das zu großen Teilen von Bäumen und Sträuchern verdeckt war, gab es nur wenige Fenster, die als Standort des Schützen infrage kamen.
    Einer der käseweißen Uniformierten trat einen Schritt vor und rapportierte: »Im Erdgeschoss die Besitzer, ein älteres Ehepaar. Die sind aber in Urlaub. Darüber eine allein erziehende Mutter mit drei Kindern. Die ist um diese Zeit arbeiten, und die Kids sind natürlich in der Schule. Und unterm Dach ein Student.«
    »Hat man den gesehen in den letzten Tagen, diesen Studenten?«
    Alle sahen sich ratlos an. Der Schupo fuhr fort: »Der ist anscheinend auch in Urlaub. Jedenfalls hat den keiner zu Gesicht bekommen, seit wir da drüben Posten bezogen haben. Und dann ist im Souterrain noch dieser Pfarrer im Rollstuhl. Der ist erst seit gestern wieder da. Aber der wird’s ja wohl kaum gewesen sein.«
    Ich fuhr herum. »Ein Pfarrer? Im Rollstuhl?«
    »Lenz heißt der«, bestätigte der Uniformierte eifrig nickend. »Gottfried Lenz. War ein paar Wochen in der Reha-Klinik. Haben wir alles genau überprüft, wie Sie gesagt haben. Eigentlich sollte er erst Ende des Monats zurückkommen. Hat ihm aber wohl keinen Spaß mehr gemacht, mit kalten Bädern und Elektroschocks. Kann man ja verstehen.«
    Vor Grotheers Haustür gab es Radau und Diskussionen. Ich ging nachsehen. Ein kleiner Lieferwagen parkte am Straßenrand, dessen Fahrer Umzugskartons abliefern wollte, woran ihn meine uniformierten Kollegen jedoch tapfer hinderten. In den Kartons befanden sich Sachen des verstorbenen Sohnes, wie sich nach einigem Hin und Her herausstellte, die aus der Wohnung im Emmertsgrund

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