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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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um keinen Preis nachgeben, dann kommen wir schon vorwärts.«
    Das wurde nun so ausgeführt. Man kam aber nicht gut vorwärts. Klara war nicht so leicht, und das Gespann zu ungleich in der Größe. Auf der einen Seite ging es herab und auf der andern hinauf, das gab eine ziemliche Unsicherheit in den Stützen.
    Klara probierte es abwechselnd ein wenig mit den eigenen Füßen, zog aber einen nach dem andern immer bald wieder zurück.
    »Stampf einmal recht herunter«, schlug das Heidi vor, »dann tut es dir gewiß nachher weniger weh.«
    »Meinst du?« sagte Klara zaghaft.
    Sie gehorchte aber und wagte einen festen Schritt auf den Boden und dann mit dem zweiten Fuß; sie schrie aber ein wenig auf dabei. Dann hob sie den einen wieder und setzte ihn leiser hin.
    »Oh, das hat schon viel weniger weh getan«, sagte sie voller Freude.
    »Mach’s noch einmal«, drängte eifrig das Heidi. Klara tat es und dann noch einmal und noch einmal, und auf einmal schrie sie auf:
    »Ich kann, Heidi! Oh, ich kann! Sieh! Sieh! Ich kann Schritte machen, einen nach dem andern.«
    Jetzt jauchzte das Heidi noch viel mehr auf.
    »Oh! Oh! Kannst du gewiß selbst Schritte machen? Kannst du jetzt gehen? Kannst du gewiß selbst gehen? Oh, wenn nur der Großvater käme! Jetzt kannst du selbst gehen, Klara, jetzt kannst du gehen!« rief es ein Mal ums andere in jubelnder Freude aus.
    Klara hielt sich wohl fest an auf beiden Seiten, aber mit jedem
Schritt wurde sie ein wenig sicherer, das konnten alle drei empfinden.
Das Heidi kam ganz außer sich vor Freude.
    »Oh, nun können wir alle Tage miteinander auf die Weide gehen und auf der Alp herum, wo wir wollen«, rief es wieder aus, »und du kannst dein Lebtag gehen, wie ich, und mußt nie mehr im Stuhl gestoßen werden und wirst gesund. Oh, das ist die größte Freude, die wir haben können!«
    Klara stimmte mit dem ganzen Herzen ein. Gewiß kannte sie gar kein größeres Glück auf der Welt, als auch einmal gesund zu sein und herumgehen zu können wie die anderen Menschen und nicht mehr elend die ganzen Tage lang in den Krankensessel gebannt zu sein.
    Es war nicht weit zu der Blumenhalde hinüber. Dort sah man schon das
Glitzern der Goldröschen in der Sonne. Jetzt waren sie bei den Büschen
der blauen Glockenblumen angekommen, wo zwischendurch der sonnige
Boden so einladend aussah.
    »Können wir nicht hier niedersetzen?« fragte Klara.
    Das war ganz nach Heidis Wunsch, und mitten in die Blumen hinein setzten sich die Kinder, Klara zum erstenmal, auf den trockenen, warmen Alpenboden hin; das gefiel ihr unbeschreiblich wohl. Und nun rings um sie die wiegenden blauen Glockenblumen, die schimmernden Goldröschen, das rote Tausendgüldenkraut und um und um der süße Duft der braunen Kolbenblümchen, der würzigen Prünellen. Alles war so schön! So schön!
    Auch das Heidi neben ihr meinte, so schön sei es noch nie gewesen da oben, und es wußte gar nicht, warum es eine solche Freude im Herzen hatte, daß es nur immer hätte laut jauchzen mögen. Aber auf einmal kam es ihm dann wieder in den Sinn, daß Klara gesund geworden war; das war zu allem Schönen ringsumher noch die allergrößte Freude. Klara wurde ganz still vor Wonne und Entzücken über alles, was sie sah, und über alle die Aussichten, die ihr aufgegangen waren durch das eben Erlebte. Das große Glück hatte fast nicht Platz in ihrem Herzen, und der Sonnenglanz und Blumenduft dazu überwältigten sie mit einem Wonnegefühl, das sie völlig verstummen machte.
    Auch der Peter lag still und regungslos mitten in dem Blumenfelde, denn er war fest eingeschlafen.
    Leise und lieblich wehte hier der Wind hinter den schützenden Felsen hervor und säuselte oben in den Büschen. Von Zeit zu Zeit mußte das Heidi wieder aufstehen und dahin laufen und dorthin, denn es war immer irgendwo noch schöner, die Blumen noch dichter, der Wohlgeruch noch stärker, weil ihn da der Wind hin und her wehte; überall mußte es wieder hinsetzen.
    So vergingen die Stunden.
    Die Sonne war längst über den Mittag hinaus, als ein Trüppchen der Geißen ganz ernsthaft auf die Blumenhalde zugeschritten kam. Es war nicht ihr Weideplatz, sie wurden nie dahin geführt, denn es gefiel ihnen nicht, in den Blumen zu grasen. Sie sahen aus wie eine Gesandtschaft, der Distelfink voran. Die Geißen waren sichtlich ausgegangen, ihre Gesellschafter zu suchen, die sie so lange im Stich gelassen hatten und über alle Ordnung hinaus fortgeblieben waren, denn die Geißen kannten ihre

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