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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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erblickte Rico zu seiner unbeschreiblichen Verwunderung, daß der Wagen die Zickzackstraße hinauffuhr, die auf den Maloja führt und die er so wohl kannte.
    Aus dem Fenster konnte er nicht viel sehen, nur von Zeit zu Zeit eine Wendung der Straße; aber jetzt hätte er so gern alles gesehen ringsum. Nun hielt der Wagen still, man war auf der Höhe angekommen. Da stand das Wirtshaus, da am Wege hatte er sich hingesetzt und mit dem Kutscher gesprochen. Alle Reisenden stiegen einenAugenblick aus, den Pferden wurde ein Futter gegeben. Rico stieg auch aus dem Wagen; er ging zum Kutscher hin und fragte ganz demütig: »Darf ich mit Euch auf dem Bock fahren bis nach Sils?«
    »Steig auf«, sagte der Kutscher.
    Und nun stieg alles wieder ein und auf und im lustigen Trab ging es abwärts und die ebene Straße dahin. Jetzt kam der See. Dort lag die waldige Halbinsel, und dort – das waren die weißen Häuser von Sils, und drüben lag Sils-Maria. Das Kirchlein schimmerte in der Morgensonne, und dort gegen den Berg hin sah er die beiden Häuschen.
    Jetzt fing Ricos Herz stark zu klopfen an. Wo konnte Stineli sein? Nur noch wenige Schritte, und der Postwagen hielt an in Sils.
    Stineli hatte seit Ricos Verschwinden viele harte Tage erlebt. Die Kinder wurden größer, und es gab immer mehr Arbeit und das meiste fiel auf Stineli; denn es war das älteste von den Kindern und neben den Alten war es doch das Jüngste; so hieß es bald: »Das Stineli kann dies tun, es ist ja alt genug«, und dann gleich nachher: »Das kann Stineli verrichten, denn es ist noch jung.« Die Freude konnte es mit niemandem mehr recht teilen, seit der Rico fort war, wenn es noch einen Augenblick Zeit dazu gehabt hätte.
    Vor dem Jahre war dann die gute Großmutter gestorben, und von da an gab es für Stineli auch keine freien Augenblicke mehr; denn vom Morgen bis am Abend war da so viel Arbeit zu tun, daß man nie fertig wurde, sondern nur immer mittendrin war.
    Aber Stineli hatte seinen guten Mut nie verloren, obschon es um die Großmutter stark hatte weinen müssen und jetzt noch jeden Tag ein paarmal dachte: ohne die Großmutter und den Rico sei es nicht mehr so schön auf der Welt, wie es einmal gewesen war. An einem sonnigen Samstagmorgen kam es mit einem großen Bündel Stroh auf dem Kopfe hinter der Scheune hervor; es wollte schöne Strohwische machen zum Fegen am Abend. Die Sonne schien schön auf den trockenen Weg gegen Sils hin und es stand still und schaute hinüber. Da kam ein Bursche des Weges, den es nicht kannte, das war kein Silser, das sah es sogleich. Und wie er näher kam, stand er still und schaute das Stineli an, und es schaute ihn auch an und war verwundert; aber mit einem Male warf es sein Strohbündel weit weg und sprang auf den Stillstehenden zu und rief: »O Rico, bist du noch am Leben? Bist du wieder da? Aber du bist groß, Rico! Zuerst habe ich dich gar nicht mehr erkannt; aber wie ich dir ins Gesicht sah, da habe ich dich gleich erkannt; es hat ja kein Mensch sonst so ein Gesicht wie du!«
    Und Stineli stand ganz glühend rot vor Freude vor dem Rico, und der Rico stand kreideweiß vor innerer Erregung und konnte zuerst gar nichts sagen und schaute nur das Stineli an. Dann sagte er: »Du bist auch so groß, Stineli, aber sonst bist du noch wie vorher. Je näher ich dem Hause kam, je mehr wurde es mir angst, du seiest vielleicht anders geworden.«
    »O Rico, daß du wieder da bist!« jubelte das Stineli, »o wenn das die Großmutter wüßte! Aber du mußt hereinkommen, Rico, die werden sich alle verwundern!« Stineli lief voraus und machte die Tür auf, und Rico ging hinein. Die Kinder versteckten sich sogleich immer eins hinter das andere, und die Mutter stand auf und grüßte den Rico fremd und fragte, was ihm gefällig sei. Weder sie, noch eins der Kinder hatte ihn mehr erkannt. Jetzt traten auch Trudi und Sami in die Stube und grüßten im Vorbeigehen.
    »Kennt ihr ihn denn alle nicht?« brach nun das Stineli aus; »es ist ja der Rico!«
    Jetzt ging das Verwundern von allen Seiten an, und man war gerade noch daran, als der Vater eintrat zum Essen.
    Rico ging ihm entgegen und bot ihm die Hand. Der Vater nahm sie und schaute den Jungen an.
    »Ist’s etwa einer von den Verwandten?« sagte er dann, denn er kannte diese nie so genau, wenn sie etwa kamen.
    »Jetzt kennt ihn der Vater auch nicht«, sagte Stineli ein wenig empört. »Es ist ja der Rico, Vater!«
    »So, so, das ist recht«, bemerkte der Vater und schaute ihn nun noch

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