Heidi und andere klassische Kindergeschichten
nicht zuvor in der Küche Feuer zum Abendessen gemacht hatte, wie sie befohlen, und machte sie zuvor das Feuer an, so zankte wieder der Chäppi, daß es nicht zuerst das Loch in seinem Wamsärmel hatte flicken können, er hatte es ihm ja schon lang gesagt, und jedes rief ihm zu: »Warum machst du denn das nicht, du hast ja sonst nichts zu tun!« So war Wiseli ganz froh, wenn es in die Schule gehen konnte, da hatte es doch eine Zeitlang Ruhe und wußte, was es tun mußte, und dazu war es auch der Ort, wo es noch freundliche Worte bekam, denn jedesmal, wenn die Zeit der Pause kam, oder beim Heraustreten aus der Schule, kam der Otto zu Wiseli heran und war freundlich mit ihm und brachte immer wieder eine Einladung von seiner Mutter, daß es etwa am Sonntagabend zu ihnen komme, sie wollten dann allerlei Spiele zusammen machen. Das konnte nun Wiseli nie ausführen, denn am Sonntag mußte es den Kaffee machen, und die Base erlaubte ihm nicht, fortzugehen an dem einzigen Tag, da es ihr etwas helfen könne, wie sie sagte. Aber es tat doch dem Wiseli sehr wohl, daß Otto es immer wieder einlud, und nur schon, daß er freundliche Worte zu ihm redete, es hörte deren sonst von niemand mehr. Noch einen Grund hatte Wiseli, warum es gern zur Schule ging; es mußte jedesmal an dem sauberen Gärtchen vom Schreiner Andres vorbei; da schaute es so gern hinein und paßte da an der niederen Hecke immer und immer wieder die Gelegenheit ab, den Schreiner Andres zu sehen, denn es hatte ihm ja noch etwas von der Mutter auszurichten, das hatte es gar nicht vergessen. Aber in das Haus hineinzugehen, dazu war Wiseli zu schüchtern, es kannte den Mann auch zu wenig, um einen solchen Schritt zu tun, auch hatte es eine eigene Art von Scheu vor ihm, weil er so still war und es nur immer, wo es ihn noch getroffen, ganz freundlich angesehen, aber fast nie etwas, oder nur so ein flüchtiges Wort zu ihm gesagt hatte. Noch hatte Wiseli nie den Schreiner Andres erblicken können, wie oft es auch an der Hecke stillgestanden und nach ihm ausgeschaut hatte.
Mai und Juni waren vorbei und die langen Sommertage waren gekommen, da es auf dem Felde immer mehr Arbeit gibt und alle Arbeit so heiß macht. Das merkte auch das Wiseli, wenn es vom Vetter hinausgerufen wurde und mit einem großen schweren Rechen das Heu zusammenbringen mußte, oder mit der breiten hölzernen Gabel wieder auseinanderwerfen, daß es an der Sonne trockne. Oft mußte es so den ganzen Tag draußen helfen, und am Abend war es dann so müde, daß es seine Arme kaum mehr bewegen konnte. Das hätte es aber nicht geachtet, denn es dachte, das müsse so sein; aber wenn es dann etwa am Abend einen Augenblick still saß, dann rief ihm der Chäppi gleich zu: »Du wirst so gut Rechnungen zu machen haben, wie ich; du meinst, du müssest nichts tun, und in der Schule kannst du ja nie etwas.« Das tat dem Wiseli weh, denn es hätte gern recht fleißig alles gelernt und wäre gern regelmäßig zur Schule gegangen, damit es alles gut begreifen und erlernen könnte, wie viele andere, und es wußte recht wohl, daß es fast überall zurück war. Es mußte ja so oft unterbrechen und hatte dann gar keinen Zusammenhang, wußte auch gar nicht, was die Aufgaben für die Schule waren. Wenn es dann so ohne Arbeit kam und dazu ungeschickt antwortete und vieles gar nicht wußte, schämte es sich so sehr und besonders, wenn der Lehrer ihm dann so vor allen Kindern sagte: »Das hätte ich von dir nicht erwartet, Wiseli, du warst immer am geschicktesten.« Dann meinte es oft, es müsse in den Boden hineinkriechen vor Scham, und nachher weinte es auf dem ganzen Heimweg. Aber dem Chäppi durfte es nicht antworten, es wisse ja nicht, was machen, sonst schimpfte und lärmte er so lange, bis die Base hereinkam und auf Chäppis Anklagen hin dem Wiseli erst recht seine Nachlässigkeit vorwarf. Dann zerdrückte das Kind manchmal seine Tränen und erst nachher auf seinem Kissen durfte es ihnen den Lauf lassen, und sie kamen dann auch recht heiß und schwer, denn es war ihm so, als hätten der liebe Gott und die Mutter es ganz vergessen und kein Mensch auf der Welt kümmere sich um sein Leben. In seinem Kummer konnte es oft lange sein Trostlied nicht sagen; es kam aber zu keiner Ruhe und konnte nie einschlafen, bis es die Worte wieder recht zusammengefunden und sie mit Andacht hatte sagen können, wenn ihm auch die frohe Zuversicht nicht recht im Herzen aufgehen wollte. So war das Wiseli auch entschlafen an einem schönen
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