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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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Heraus mit dir! Wir machen Räuber, du bist der Anführer.« Otto wehrte sich ein wenig. »Ich habe ja die Woche«, rief er. »Ach was«, scholl es zurück, »wegen einer Viertelstunde. Komm!« Otto ließ sich fortreißen, in der Stille verließ er sich schon ein wenig auf seinen unbekannten Freund, der ihn vor der Strafe schützen würde; er fand es unbeschreiblich angenehm, ein solche Fürsorge im Rücken zu haben. Aus der Viertelstunde wurde auch mehr als eine Stunde, und Otto wäre verloren gewesen. Er keuchte nach der Schulstube, um sein Schicksal zu vernehmen, und stieß dabei die Tür mit solchem Gepolter auf, daß der Lehrer augenblicklich aus seiner Stube ins Lehrzimmer heraustrat. »Was hast du gewollt, Otto?« fragte der Lehrer. »Nur noch einmal nachsehen«, stotterte Otto, »ob auch sicher alles in Ordnung sei.«
    »Musterhaft«, bemerkte der Lehrer. »Dein Eifer ist löblich, aber die Türen halb einzuschlagen dabei ist nicht notwendig.« Otto ging sehr wohlgemut von dannen. Am Freitag war er entschlossen, den Fleck nicht zu räumen, bis er im klaren war, denn da kam für ihn nur noch der Samstagmorgen; da gab es freilich immer noch eine Haupträumerei. »Otto«, rief der Lehrer, als am Freitag die Glocke vier Uhr schlug, »trag mir schnell das Zettelchen zum Herrn Pfarrer, er gibt dir Schriften zurück; in fünf Minuten bist du wieder da zum Aufräumen.« Das war Otto nicht ganz recht, aber er mußte gehen, auch konnte er ja gleich wieder da sein. In wenig Sprüngen war er im Pfarrhaus. Der Herr Pfarrer hatte noch jemandem Bescheid zu geben; die Frau Pfarrerin rief Otto in den Garten hinaus, er mußte ihr berichten, wie es der Mama gehe und dem Papa und dem Miezchen und dem Onkel Max und den Verwandten in Deutschland, und dann kam der Herr Pfarrer, und Otto mußte erklären, wie er zu der Kommission gekommen war, und was ihm der Lehrer sonst noch aufgetragen habe. Endlich hatte dann Otto seine Papiere erhalten und pfeilschnell war er drüben, riß die Tür der Schulstube auf: – alles in Ordnung, alles still, kein menschliches Wesen zu sehen.
    »Nun habe ich mich die ganze Woche nicht ein einziges Mal nach den grausigen Fetzen bücken müssen«, dachte Otto befriedigt; »aber wer hat das Schauerliche nur tun können, ohne daß er mußte?« Das wollte er nun um jeden Preis wissen.
    Am Samstag waren die Schulstunden um elf Uhr zu Ende. Otto ließ alle Kinder hinausgehen, und wie nun die Schulstube leer war, da ging er vor die Tür hinaus, schloß sie zu und lehnte sich mit dem Rücken daran; so mußte er doch gewiß sehen, ob da jemand hineingehen wolle, denn damit wollte er lieber beginnen, als mit der schweren Arbeit. Er stand und stand – es kam niemand. Er hörte die Uhr halb zwölf schlagen – es kam niemand. Auf den Nachmittag stand aber ein Ausflug bevor, es sollte früh Mittag gemacht werden heut’, er sollte so schnell wie möglich zu Hause sein. Er mußte also hinein an die Arbeit, es grauste ihm. Er machte die Tür auf – da – Otto starrte noch mehr als das erste Mal – wahrhaftig es war so, es war alles getan, schöner als je. Dem Otto wurde es ganz eigentümlich zumut’, es schwebte ihm etwas wie eine Geistergeschichte vor. Ganz leise, wie nie sonst, schlich er zur Tür hinaus. Gerade in diesem Augenblick kam ebenso leise etwas aus des Lehrers Küche herausgeschlichen, und auf einmal stand das Wiseli ganz nahe vor ihm; beide fuhren zusammen vor Schrecken, und das Wiseli wurde über und über rot, so, als hätte es der Otto auf einem Unrecht erwischt. Jetzt ging diesem ein Licht auf.
    »Sicher hast du das für mich gemacht die ganze Woche lang, Wiseli«, rief er aus; »das tut doch gewiß sonst kein Mensch, wenn er nicht muß.«
    »Es hat mich aber so gefreut, es zu tun, wie du gar nicht glaubst«, gab Wiseli zur Antwort.
    »Nein, nein, das mußt du nicht sagen, Wiseli; so etwas zu tun, kann keinen Menschen auf der Welt freuen«, sagte Otto überzeugt.
    »Doch gewiß, gewiß«, versicherte Wiseli, »ich habe die ganze Zeit lang mich immer auf den Abend gefreut, wenn ich es wieder tun durfte, und während ich aufräumte, habe ich mich erst recht immerzu gefreut, weil ich immer gedacht habe: jetzt kommt der Otto und findet alles fertig und ist froh.«
    »Aber wie kam es dir denn in den Sinn, daß du das für mich tun wolltest?« fragte Otto noch immer verwundert.
    »Ich wußte schon, daß du es nicht gern tust, und ich habe schon immer gedacht, wenn ich nur auch einmal dem Otto etwas

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