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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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Schwalbe vorbei. Plötzlich stieß er die Gemse so weit und so gewaltig auf die Seite, daß sie einen kühnen Sprung machen mußte, um nicht über die Felsen hinabzurutschen.
    Die Schwalbe aber zog triumphierend ihres Weges, und der Sultan schritt befriedigt und stolz hinter ihr her, denn er fühlte sich als sicherer Beschützer seiner Herde. Inzwischen war von oben herab Moni und von unten herauf ein anderer Geißbub auf einem nahen Platz angekommen und blickten auch erstaunt einander an. Aber sie kannten sich, und nach der ersten Überraschung begrüßten sie sich freundlich. Es war der Jörgli von Küblis, der schon den halben Morgen lang vergebens den Moni gesucht hatte und ihn nun hier oben traf, wo er ihn gar nicht mehr vermutete.
    “Ich habe nicht gedacht, daß du so hoch hinaufgehen würdest mit den
Geißen”, sagte der Jörgli.
    “Freilich gehe ich”, entgegnete Moni, “aber nicht immer. Gewöhnlich bin ich bei der Felsenkanzel. Warum bist du da heraufgekommen?”
    “Ich will dir einen Besuch machen”, war die Antwort, “ich habe dir allerhand zu erzählen. Auch habe ich hier zwei Geißen, die bringe ich dem Wirt im Bad, er will eine kaufen, und da dachte ich, ich wollte noch zu dir hinauf.”
    “Sind es deine Geißen?” fragte Moni.
    “Natürlich, die fremden habe ich nicht zu hüten, ich bin nicht mehr
Geißbub.”
    Darüber mußte sich Moni sehr wundern, denn zu gleicher Zeit mit ihm war der Jörgli Geißbub von Küblis geworden, und Moni begriff nicht, daß das so aufhören konnte und der Jörgli nicht einmal jammerte.
    Inzwischen waren Hirten und Geißen bei der Felsenkanzel angekommen. Moni holte Brot und ein Stückchen getrocknetes Fleisch hervor und lud den Jörgli zum Mittagessen ein. Sie setzten sich beide auf die Kanzel hinaus und ließen sich’s gut schmecken. Denn es war sehr spät geworden, und sie hatten beide ausgezeichneten Appetit. Als nun alles aufgegessen und dann noch ein wenig Geißmilch getrunken worden war, legte sich der Jörgli ganz behaglich der Länge nach auf den Boden und stützte seinen Kopf auf beide Ellbogen. Moni aber war sitzen geblieben, denn er schaute immer gern von oben in das tiefe Tal hinunter.
    “Was bist du denn jetzt, Jörgli, wenn du nicht mehr Geißbub bist?” fing Moni nun an, “etwas mußt du doch sein.”
    “Freilich bin ich etwas und etwas Rechtes”, erwiderte Jörgli, “Eierbub bin ich. Jeden Tag gehe ich mit den Eiern in alle Wirtshäuser, so weit ich komme. Hier hinauf ins Badehaus komme ich auch, gestern war ich schon dort.”
    Moni schüttelte den Kopf: “Das ist nichts, Eierbub möchte ich nicht sein, tausendmal lieber will ich Geißbub sein, das ist viel schöner.”
    “Ja warum denn?”
    “Die Eier sind ja nicht lebendig, mit denen kannst du kein Wort reden. Und sie laufen dir nicht nach wie die Geißen, die sich freuen, wenn du kommst und anhänglich sind und jedes Wort verstehen, das du mit ihnen redest. Du kannst keine Freude mit deinen Eiern haben wie mit den Geißen hier oben.”
    “Ja und du”, unterbrach ihn Jörgli, “was hast du denn für große Freuden hier oben? Jetzt hast du wohl sechsmal aufstehen müssen, während wir beim Essen waren, nur wegen des dummen Geißleins, damit es nicht hinunterfällt. Ist denn das eine Freude?”
    “Ja, das tue ich ganz gern. Nicht wahr, Mäggerli, komm! Komm!” Moni sprang auf und lief dem Geißlein nach, denn es machte ganz unvorsichtige Freudensprünge. Als er wieder saß, sagte Jörgli: “Es gibt auch ein anderes Mittel, die jungen Geißen zu halten, daß sie nicht über die Felsen hinabfallen und man ihnen nicht immer nachspringen muß wie du.”
    “Was für eins?” fragte Moni.
    “Man steckt einen Stecken fest in den Boden und bindet die Geiß mit einem Bein daran. Sie zappelt dann zwar furchtbar, aber sie kann doch nicht fort.”
    “Du wirst doch nicht glauben, daß ich so etwas mit dem Geißlein mache”, sagte der Moni ganz entrüstet. Er zog das Mäggerli zu sich und hielt es fest, als müßte er es schützen.
    “Um das Geißlein mußt du dich nicht mehr lange sorgen”, fing Jörgli wieder an, “das kommt nicht mehr hier herauf.”
    “Was? Was? Was sagst du, Jörgli?” fuhr Moni auf.
    “Pah, weißt du’s denn nicht? Der Wirt will es nicht aufziehen, es ist ihm zu schwach, es wird nie eine kräftige Geiß. Er hat es meinem Vater verkaufen wollen, aber der wollte es auch nicht. Nun will es der Wirt nächste Woche schlachten, und dann kauft er unseren Scheck

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