Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Brigitte?” Und jedes Mal erwiderte diese: “Es sieht aus wie ein Erdbeerapfel.”
Heidi hatte auch eine große Anhänglichkeit an die alte Großmutter, und wenn es ihm wieder in den Sinn kam, dass ihr gar niemand, auch der Großvater nicht mehr hell machen konnte, überkam es immer wieder eine große Betrübnis; aber die Großmutter sagte ihm immer wieder, dass sie am wenigsten davon leide, wenn es bei ihr sei, und Heidi kam auch an jedem schönen Wintertag heruntergefahren auf seinem Schlitten. Der Großvater hatte, ohne weitere Worte, so fortgefahren, hatte jedes Mal den Hammer und allerlei andere Sachen mit aufgeladen und manchen Nachmittag durch an dem Geißenpeter-Häuschen herumgeklopft. Das hatte aber auch seine gute Wirkung; es krachte und klapperte nicht mehr die ganzen Nächte durch, und die Großmutter sagte, so habe sie manchen Winter lang nicht mehr schlafen können, das wolle sie auch dem Öhi nie vergessen.
Es kommt ein Besuch und dann noch einer, der mehr Folgen hat
Schnell war der Winter und noch schneller der fröhliche Sommer darauf vergangen, und ein neuer Winter neigte sich schon wieder dem Ende zu. Heidi war glücklich und froh wie die Vöglein des Himmels und freute sich jeden Tag mehr auf die herannahenden Frühlingstage, da der warme Föhn durch die Tannen brausen und den Schnee wegfegen würde und dann die helle Sonne die blauen und gelben Blümlein hervorlocken und die Tage der Weide kommen würden, die für Heidi das Schönste mit sich brachten, was es auf Erden geben konnte. Heidi stand nun in seinem achten Jahre; es hatte vom Großvater allerlei Kunstgriffe erlernt: Mit den Geißen wusste es so gut umzugehen als nur einer, und Schwänli und Bärli liefen ihm nach wie treue Hündlein und meckerten gleich laut vor Freude, wenn sie nur seine Stimme hörten. In diesem Winter hatte Peter schon zweimal vom Schullehrer im Dörfli den Bericht gebracht, der Alm-Öhi solle das Kind, das bei ihm sei, nun in die Schule schicken, es habe schon mehr als das Alter und hätte schon im letzten Winter kommen sollen. Der Öhi hatte beide Male dem Schullehrer sagen lassen, wenn er etwas mit ihm wolle, so sei er daheim, das Kind schicke er nicht in die Schule. Diesen Bericht hatte der Peter richtig überbracht.
Als die Märzsonne den Schnee an den Abhängen geschmolzen hatte und überall die weißen Schneeglöckchen hervorguckten im Tal und auf der Alm die Tannen ihre Schneelast abgeschüttelt hatten und die Äste wieder lustig wehten, da rannte Heidi vor Wonne immer hin und her von der Haustür zum Geißenstall und von da unter die Tannen und dann wieder hinein zum Großvater, um ihm zu berichten, wie viel größer das Stück grüner Boden unter den Bäumen wieder geworden sei, und gleich nachher kam es wieder nachzusehen, denn es konnte nicht erwarten, dass alles wieder grün wurde und der ganze schöne Sommer mit Grün und Blumen wieder auf die Alm gezogen kam.
Als Heidi so am sonnigen Märzmorgen hin und her rannte und jetzt wohl zum zehnten Mal über die Türschwelle sprang, wäre es vor Schrecken fast rückwärts wieder hineingefallen, denn auf einmal stand es vor einem schwarzen alten Herrn, der es ganz ernsthaft anblickte. Als er aber seinen Schrecken sah, sagte er freundlich: “Du musst nicht erschrecken vor mir, die Kinder sind mir lieb. Gib mir die Hand! Du wirst das Heidi sein; wo ist der Großvater?”
“Er sitzt am Tisch und schnitzt runde Löffel von Holz”, erklärte
Heidi und machte nun die Tür wieder auf.
Es war der alte Herr Pfarrer aus dem Dörfli, der den Öhi vor Jahren
gut gekannt hatte, als er noch unten wohnte und sein Nachbar war.
Er trat in die Hütte ein, ging auf den Alten zu, der sich über sein
Schnitzwerk hinbeugte, und sagte: “Guten Morgen, Nachbar.”
Verwundert schaute dieser in die Höhe, stand dann auf und entgegnete: “Guten Morgen dem Herrn Pfarrer.” Dann stellte er seinen Stuhl vor den Herrn hin und fuhr fort: “Wenn der Herr Pfarrer einen Holzsitz nicht scheut, hier ist einer.”
Der Herr Pfarrer setzte sich. “Ich habe Euch lange nicht gesehen,
Nachbar”, sagte er dann.
“Ich den Herrn Pfarrer auch nicht”, war die Antwort.
“Ich komme heut, um etwas mit Euch zu besprechen”, fing der Herr
Pfarrer wieder an; “ich denke, Ihr könnt schon wissen, was meine
Angelegenheit ist, worüber ich mich mit Euch verständigen und hören
will, was Ihr im Sinne habt.”
Der Herr Pfarrer schwieg und schaute auf Heidi, das an der Tür stand und die
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