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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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hatte, dann schrie sie aus Leibeskräften: “Sebastian! Sebastian!”
    Plötzlich hielt der Orgelspieler inne, denn diesmal hatte die Stimme die Musik übertönt. Sebastian stand draußen vor der halb offenen Tür und krümmte sich vor Lachen, denn er hatte zugesehen, wie der Sprung vor sich ging. Endlich kam er herein. Fräulein Rottenmeier war auf einen Stuhl niedergesunken.
    “Fort mit allem, Mensch und Tier! Schaffen Sie sie weg, Sebastian, sofort!”, rief sie ihm entgegen. Sebastian gehorchte bereitwillig, zog den Jungen hinaus, der schnell seine Schildkröte erfasst hatte, drückte ihm draußen etwas in die Hand und sagte: “Vierzig für Fräulein Klara, und vierzig fürs Spielen, das hast du gut gemacht”; damit schloss er hinter ihm die Haustür. Im Studierzimmer war es wieder ruhig geworden; die Studien wurden wieder fortgesetzt, und Fräulein Rottenmeier hatte sich nun auch festgesetzt in dem Zimmer, um durch ihre Gegenwart ähnliche Gräuel zu verhüten. Den Vorfall wollte sie nach den Unterrichtsstunden untersuchen und den Schuldigen so bestrafen, dass er daran denken würde.
    Schon wieder klopfte es an die Tür, und herein trat abermals Sebastian mit der Nachricht, es sei ein großer Korb gebracht worden, der sogleich an Fräulein Klara selbst abzugeben sei.
    “An mich?”, fragte Klara erstaunt und äußerst neugierig, was das sein möchte; “zeigen Sie doch gleich einmal her, wie er aussieht.”
    Sebastian brachte einen bedeckten Korb herein und entfernte sich dann eilig wieder.
    “Ich denke, erst wird der Unterricht beendet, dann der Korb ausgepackt”, bemerkte Fräulein Rottenmeier.
    Klara konnte sich nicht vorstellen, was man ihr gebracht hatte; sie schaute sehr verlangend nach dem Korb.
    “Herr Kandidat”, sagte sie, sich selbst in ihrem Deklinieren unterbrechend, “könnte ich nicht nur einmal schnell hineinsehen, um zu wissen, was drin ist, und dann gleich wieder fortfahren?”
    “In einer Hinsicht könnte man dafür, in einer anderen dawider sein”, entgegnete der Herr Kandidat; “(dafür) spräche der Grund, dass, wenn nun Ihre ganze Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gerichtet ist—”; die Rede konnte nicht beendigt werden. Der Deckel des Korbes saß nur lose darauf, und nun sprangen mit einem Mal ein, zwei drei und wieder zwei und immer noch mehr junge Kätzchen darunter hervor und ins Zimmer hinaus, und mit einer so unbegreiflichen Schnelligkeit fuhren sie überall herum, dass es war, als wäre das ganze Zimmer voll solcher Tierchen. Sie sprangen über die Stiefel des Herrn Kandidaten, bissen an seinen Beinkleidern, kletterten am Kleid von Fräulein Rottenmeier empor, krabbelten um ihre Füße herum, sprangen an Klaras Sessel hinauf, kratzten, krabbelten, miauten; es war ein arges Gewirre. Klara rief immerfort voller Entzücken: “Oh, die niedlichen Tierchen! Die lustigen Sprünge! Sieh! Sieh! Heidi, hier, dort, sieh dieses!” Heidi schoss ihnen vor Freude in alle Winkel nach. Der Herr Kandidat stand sehr verlegen am Tisch und zog bald den einen, bald den andern Fuß in die Höhe, um ihn dem unheimlichen Gekrabbel zu entziehen. Fräulein Rottenmeier saß erst sprachlos vor Entsetzen in ihrem Sessel, dann fing sie an aus Leibeskräften zu schreien: “Tinette! Tinette! Sebastian! Sebastian!”, denn vom Sessel aufzustehen konnte sie unmöglich wagen, da konnten ja mit einem Mal alle die kleinen Scheusale an ihr emporspringen.
    Endlich kamen Sebastian und Tinette auf die wiederholten Hilferufe
herbei, und jener packte gleich eins nach dem andern der kleinen
Geschöpfe in den Korb hinein und trug sie auf den Estrich zu dem
Katzenlager, das er für die zwei von gestern bereitet hatte.
    Auch am heutigen Tage hatte kein Gähnen während der Unterrichtsstunden stattgefunden. Am späten Abend, als Fräulein Rottenmeier sich von den Aufregungen des Morgens wieder hinlänglich erholt hatte, berief sie Sebastian und Tinette ins Studierzimmer herauf, um hier eine gründliche Untersuchung über die strafwürdigen Vorgänge anzustellen. Nun kam es denn heraus, dass Heidi auf seinem gestrigen Ausflug die sämtlichen Ereignisse vorbereitet und herbeigeführt hatte. Fräulein Rottenmeier saß weiß vor Entrüstung da und konnte erst keine Worte für ihre Empfindungen finden. Sie winkte mit der Hand, dass Sebastian und Tinette sich entfernen sollten. Jetzt wandte sie sich an Heidi, das neben Klaras Sessel stand und nicht recht begriff, was es verbrochen hatte.
    “Adelheid”, begann sie

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