Heidi und die Monster
konnte: Wahrhaftig, da stand das geliebte Kind, das er in den Fängen des Untoten gefürchtet hatte, stand nicht länger, sondern kletterte munter an den Spießen empor.
»Heidi! Tu dir nicht weh!« Der Öhi sprang zum Wehrzaun, mit kräftigem Griff hob er Heidi zu sich und barg es an seiner Brust. Dem Großvater wurden die Augen nass, er weinte vor unsagbarer Freude, weil ihm das Liebste wiedergeschenkt worden war. Das Kind im Arm, setzte er sich auf den Rand eines Bottichs, Heidi auf sein Knie und betrachtete es voll Wehmut.
»So bist du heimgekommen, Heidi«, sagte er. »Besonders städtisch siehst du nicht aus, das freut mich.«
»Nein, Großvater, das musst du nicht glauben«, antwortete es mit Eifer. »Die Stadt hat mir nichts angehabt. Auch wenn alle gut zu mir waren, Klara und Sebastian und vor allem Tinette, so konnte ich es gar nicht mehr aushalten, bis ich wieder bei dir daheim sein konnte. Ich habe manchmal gemeint, ich müsste ersticken, so hat es mich gewürgt, aber ich habe nichts gesagt, weil das sonst undankbar ist. Dann wollte der Kandidat Klara beißen, da musste ich dazwischenfahren. Danach ging alles schnell, weil Peter und Tinette wollten, dass ich unbedingt gleich mitkommen soll. Deshalb konnte ich die weißen Brötchen nicht holen für die Großmutter, die doch das Schwarzbrot nicht beißen kann. Auch die Ratte habe ich nicht befreien können, der hätte es auf der Alp sicher gefallen. Wir sind mit einem hübschen Pferd aufgebrochen, das war grau und weiß und trug uns durch das flache Land, und ich habe Niänenüütli erschlagen mit einem Stock. Zuletzt bekam Tinette doch ein Billett für die Bahn, so sind wir bis Maienfeld gefahren. Du hättest sehen sollen, was für Augen die Leute im Dörfli gemacht haben, als sie uns sahen. Vor lauter Fragen wären wir fast nicht weitergekommen, aber ich musste doch wieder zu dir, darum bin ich jetzt so froh, Großvater, so froh!«
Der Alte hatte staunend zugehört und Heidi auf dem Schoß gehalten. Dem Kind war beim Erzählen das Halstuch auf die Schultern gerutscht, da erschrak der Großvater bis ins Innerste. Er sah, was zu sehen er sich in diesem Leben nicht mehr gewünscht hatte: die kleinen verräterischen Male am Hals seines Enkelkinds.
»Seit wann seid ihr unterwegs?«, unterbrach er Heidis fröhliches Geplauder.
»Schon zwei Tage und genauso viele Nächte. Ich weiß es nicht genau, weil ich viel geschlafen habe.«
»Geschlafen und auch geträumt?«, wollte der Öhi wissen, der seine Erfahrungen mit Verunreinigten hatte.
»Schöne und schreckliche Dinge«, antwortete Heidi. »Von der Alm habe ich geträumt, doch sie war in grausige Farben getaucht, von Tieren, die ich mag, aber sie fletschten und kreischten und stürzten sich aufeinander. Solche Träume, Großvater, hatte ich noch nie.«
Unterdessen sah der Öhi das gute Gesicht des Geißenpeter über der Barrikade auftauchen. Er freute sich, den Buben wohlbehalten vor sich zu haben, hatte er sich doch Vorwürfe gemacht, ihn schutzlos fortgeschickt zu haben. Dahinter, das nahm den Öhi wunder, kletterte noch jemand herein. Zuerst nahm man nur einen roten Haarschopf wahr, dazu gehörte ein Frauenzimmer, das arg zerzaust, zugleich aber bildhübsch war.
»Du hast eine Reisebegleiterin?« Heidi auf dem Arm, stand der Öhi auf, ging zur Absperrung, setzte das Kind zu Boden und half Tinette ins Innere der Festung.
»Guten Abend.« Sie lächelte den alten Mann erschöpft an.
»Willkommen.« Er nahm die dargebotene Hand mit Vorsicht,
denn sie war klein und reizend, und er wollte sie nicht zerdrücken.
»Ihr müsst der Großvater sein.«
»Wie das Fräulein erkennen kann.«
»Warum sagt er nicht Tinette zu mir?« Mit einem Ruck zeigte sie an, dass er ihre Hand wieder loslassen durfte.
»Gut, Tinette. Ich bin der Öhi.«
»Das ist gewiss der erstaunlichste Name, den ich je gehört habe.« Sie ließ sich von ihm zur Hütte bringen.
Währenddessen warf der Großvater Peter einen dankbaren Blick zu. »Gut gemacht, Peter.«
Der schaute besorgt zu Heidi und wollte etwas sagen, aber der Großvater wusste schon Bescheid. »Ihr werdet durstig sein nach der Fahrt«, sagte er beziehungsvoll. »Ich hole ein wenig Milch und Brot und Käse und Speck auch.«
»Ich bin nicht hungrig, Großvater«, rief das Kind.
Das gab dem alten Mann einen Stich. »Ein Schlückchen von meiner besonderen Milch wirst du trinken. Sie tut dir gut und lässt dich friedlich schlafen. Heute ist Vollmond, da mögen Kinder
Weitere Kostenlose Bücher