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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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Gelegenheit kommen möge, erlittenes Unrecht heimzuzahlen. Die Frau des Bäckers hatte sich nämlich vergangen. Er und sie hatten nie viel Glück miteinander erfahren, auch keine Kinder bekommen, doch war er als Gemahl treu und ehrlich gewesen und hatte Gleiches von ihr erwartet. Sie aber, ihr Name war Rosamund, hatte das Liebäugeln nicht lassen können und manche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Bäcker hatte ihr bei den Dorffesten die Freude gelassen und sich ihrer sicher gefühlt.
    Bis er vor etwa zwei Jahren auf das Schlimmste getäuscht worden war. Rosamund hatte sämtliche Anerbieten junger Männer ausgeschlagen, heimlich jedoch ein Verhältnis mit dem schrulligsten, ungewaschensten Kerl der Gegend begonnen, dem Alm-Öhi. Da er nicht im Dorf wohnte, waren ihre Stelldicheins leicht zu verabreden gewesen. Jedes Mal, wenn Rosamund in die Pilze oder die Beeren wollte und zur Alp hochstieg, fand sich mühelos ein Plätzchen im Wald, wo der Öhi sie erwartete. Der Bäcker hatte lange nichts von dem Ehebruch erfahren, und so war der Krug des Betrugs so
lange zum Brunnen gegangen, bis er auf grausamste Weise brach.
    Eines heißen Sommertags nämlich hatte Rosamund sich wieder zu ihrem Geliebten aufgemacht, als sie auf halber Strecke den Unaussprechlichen in die Hände fiel. Die Bäckersfrau war in den Todeskünsten bewandert und verließ das Haus nie ohne Waffe, doch sosehr ihr Kurzschwert auf der Waldlichtung auch wütete, sie wurde der Übermacht nicht Herr. Schließlich hatte sich ein Niänenüütli auf sie geworfen, von dem sie den unheilvollen Biss empfing. Währenddessen hatte sich der Öhi dem verabredeten Platz genähert, Kampfeslärm vernommen und war besorgt näher gerannt. Doch sosehr er sich beeilte, das Schlimmste hatte er nicht verhindern können. Obschon er den Glaarä vernichtete, war Rosamund verunreinigt worden und ihr Schicksal damit besiegelt.
    Aus Treu und Gewohnheit war sie ein letztes Mal ins Bäckerhaus zurückgekehrt, hatte ihrem Mann alles gebeichtet und ihn gebeten, den erlösenden Schwertstreich zu führen, der sie davor bewahrt hätte, eine Niänenüütli zu werden. Das hatte der Bäcker in flammendem Zorn verweigert; genau dies sollte ihre Strafe sein: als wandelnde Leiche den Ehebruch zu büßen. Er hatte sie darauf des Hauses verwiesen.
    In unendlicher Verzweiflung war Rosamund, die ihr Menschsein schon schwinden spürte, zum Alm-Öhi geflohen und hatte ihn um den gleichen Liebesdienst gebeten. Der unglückliche Mann beteuerte, er liebe sie zu sehr und wolle sie nicht verlieren. Seit langem erforsche er ein Mittel, das imstande sei, den Niänenüütlifluch von einem Befallenen abzuwenden. Er bat um die Gelegenheit, die Heilnahrung an
ihr auszuprobieren. Die winzige Hoffnung, nicht seelenlos und doch am Leben bleiben zu müssen, hatte Rosamund bewogen, ihn gewähren zu lassen. Ihr Geliebter hatte sodann die Reste des Niänenüütli, der sie gebissen hatte, in seine Hütte geholt, einen Kessel mit Ziegenmilch zum Sieden gebracht und den zerteilten Glaarä so lange darin gesotten, bis er sich vollständig auflöste. Der Öhi hatte ein Salz zugesetzt und beim Umrühren geheime Sprüche gemurmelt. Auf Rosamunds Frage, ob dies die Wirkung verstärke, hatte er geantwortet: »Schaden kann es nicht.«
    Bangen Herzens war sie bereit gewesen, den Sud zu trinken, und hatte wirklich zwei Schalen geleert. Warten und Beobachten war fortan alles, was sie tun konnten. Erst schien es, die Wirkung würde ausbleiben, hatten sich doch die schrecklichen Erscheinungen eingestellt, die man an frisch befallenen Niänenüütli beobachten kann. Das Einsinken der Wangen, die Verschleierung des Blicks, das Stumpfwerden der Haare. Schließlich begann sich das Fleisch von innen aufzulösen; die Haut spannte eine Weile noch über den Knochen und hielt das Körpergebäude zusammen. Endlich wurde die Haut pergamenten, brach im Gesicht auf und legte die Zähne und sonstiges Innenleben frei.
    Als der Öhi und Rosamund bereits verzagten und glaubten, die Behandlung sei fehlgeschlagen, trat eine Veränderung ein. Der Zerfall verlangsamte sich und kam zum Stillstand. Zwar hatte Rosamund ihre frühere Schönheit verloren, doch ihr Geist war menschlich geblieben, in ihrer Seele hoffte sie weiter auf Erlösung. Großherzig hatte der Öhi seine Geliebte trotz ihres Aussehens nicht fortgeschickt, sondern in der Hütte verborgen. Als jedoch bald darauf Heidi zum Großvater
gebracht wurde, hatte der Öhi ein neues Versteck für

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